"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Samstag, 4. Oktober 2008

Auf der Suche nach "Dem Deutschen" durch den braunen Sumpf

Ich bin ja immer noch dem „Deutschen" auf der Spur, diesem nebulösen Stereotyp, welches einerseits gern vereinfacht benutzt wird, um die Summe aller in Deutschland ansässiger Volksgruppen zusammenzufassen, andererseits aber von nationalistischen Kreisen gerne als das non plus ultra aller Menschen dargestellt wird.

Einige Gedanken dazu habe ich ja bereits in meinem früheren Beitrag „Typisch deutsch?“ zusammengefasst.

Nun, ich wälze auf der Suche nach dem „Deutschen“ Literatur und recherchiere im Internet und gerade da finde ich mich teilweise auf Seiten wieder, die eben die dunkle Seite „des Deutschen“ nur zu deutlich zeigen.

Ich stolpere über in Fraktur verfasste „Netzseiten“ (weil dieser Deutsche“ benutzt ja keine Worte aus der angelsächsischen Sprache! Und nach Möglichkeit auch keine lateinischen Letter!), die von Selbstbeweihräucherung und verklärter Romantik nur so strotzen, dort ist die Farbe der Flagge natürlich auch nicht Schwarz-Rot-Gold, sondern natürlich Schwarz-Weiß-Rot, meist entnimmt man den dortigen Texten auch einen geradezu schnarrenden Unterton, der wohl so typisch sein soll für „den Deutschen“ und nur zu gerne wird dort das Kaiserreich in den Himmel gehoben und auf die Bundesrepublik geschimpft. Gekrönt werden die Internetauftritte dann durch Illustrationen mit kitschiger Poesie-Album-Romantik.

Okay, wenn man mit der Gegenwart nicht klar kommt oder keine Zukunftsperspektive hat, häng man sich an die Vergangenheit, wie es scheint. Also große Reden, nichts dahinter…

Diese Seiten sind also noch als harmlose Deutschtümelei abzutun. Allerdings fängt jeder mal klein an...

Aber dann stolpere ich über andere Auswüchse, wo nur noch ebenso unqualifizierter, wie extrem rechter Müll zu finden ist, inklusive diverser einschlägiger Formulierungen, wie „Kameradschaft“ für Gruppe, oder netten Wortschöpfungen wie „undeutsch“ und "Nationaler Widerstand" gegen das „System“ (ich gehe mal davon aus, das damit unsere freiheitlich demokratische Bundesrepublik gemeint ist!) und Zahlencodes , wie das beliebte 88 und C18 und natürlich werden dort auch die Beiträge mit dem standesgemäßen "MDG" für „Mit deutschem Gruß“ unterzeichnet.

Deutlich auch, wenn man auf solchem Auswurf wieder die enteigneten, missbrauchten und entweihten Runen findet, wenn „Hass“ am Ende mit zwei Sig-Runen (die im Übrigen dem Armanenfuthark des Herrn von List entstammen und damit ungefähr so „germanisch“ sind, wie der Monitor vor dem ich sitze, oder der Kaffee, den ich gerade trinke) , statt mit Doppel-S geschrieben wird, "Blut und Ehre" (Parole der HJ) beschworen werden, und dazu aufgerufen wird [Zitat] „um jeden Fußbreit unserer teuren Heimatscholle zu kämpfen!“{Zitat Ende].

Und natürlich findet man auf jenen Seiten immer wieder die „Schwarze Sonne“, die Himmler sich als Bodenschmuck in der Wewelsburg, auf der er seinen Rollenspielfantasien von Artus und der Tafelrunde nachging, auserkoren hat und ebenso historisch ist, wie das Armananenfuthark.

Überhaupt scheint da Hass, Kampf und Krieg hoch im Kurs zu stehen, gegen „Zecken“ (Synonym für Linke bzw. Antifa, was bei den Betreibern und „Nutzern“ dieser Seiten eigentlich alle einschließt, die nicht ihre Auffassung teilen), „Gutmenschen“ (ein ebensolches Synonym für alle, die der dort proklamierten Rassentheorie nicht folgen und auch kein Interesse daran haben alles was fremd ist, auszurotten), die ZOG (Zionist Occupied Government, Code für die jüdische Weltverschwörung) und viele mehr.

Das ist also die Heimatliebe und -verbundenheit, von denen diverse „Nutzer“ des „Weltnetzes“ immer reden, aha!

Ich frage mich allerdings, was mit Menschen passiert sein muss, welche Art von seelischer Kränkung sie erfahren haben müssen, welche Art von Verletzungen ihnen widerfahren sein müssen, dass sie ihnen anscheinend das Urvertrauen geraubt haben…so dass sie sich genötigt sehen, sich solcher Selbstbeschränkungen aufzuerlegen und nur noch Hass empfinden können.

Und als wenn das nicht schon genug wäre für ich und meinen so gar nicht arischen PC, stolpere ich dann immer wieder über Seiten, die Partnervermittlung mit garantiert nordischen Partnern für einen Spottpreis anbieten, oder aber Gentests und Ahnenforschung zum Zwecke des [Zitat]„Nachweises der germanischen Abstammung“[Zitat Ende] angepriesen werden.

Da ich mir sicher bin, dass man heutzutage keinen „Ariernachweis“ mehr benötigt, gehe ich mal davon aus, dass sich solche Angebote auf die Herren und Damen Artgermanen beziehen, denn [Zitat]“Das Sittengesetz in uns gebietet gleichgeartete Gattenwahl, die Gewähr für gleichgeartete Kinder“[Zitat Ende].

Während ich also auf diese Seite schaue, nach denen ich nun nicht wirklich gesucht habe und eigentlich auch gar nicht finden wollte, und nicht weiß, ob ich lieber lachen, weinen oder kotzen soll, fällt mir etwas ein und ich entscheide mich spontan für ersteres.

In meinem oben erwähnten Beitrag sagte ich ja bereits, dass ich Rheinländer bin und das ehrlich gesagt, mit Leib und Seele.

Tja, und da gibt es doch in Carl Zuckmayers Theaterstück Des Teufels General die Szene, als bei einer Feier ein zerknirschter Fliegerleutnant Hartmann dem General Harras sein Leid klagt, weil seine Verlobte, Fräulein von Mohrungen die Verlobung mit ihm gelöst hat.

Hartmann, stockend, aber immer im Ton eines militärischen Rapports: Wegen einer Unklarheit in meinem Stammbaum, Herr General. Meine Familie kommt nämlich vom Rhein. Mein Vater und Großvater waren Linienoffiziere - es besteht kein Verdacht einer jüdischen Blutmischung. Aber - eine meiner Urgroßmütter scheint vom Ausland gekommen zu sein. Man hat das öfters in rheinischen Familien. Sie ist unbestimmbar. Die Papiere sind einfach nicht aufzufinden.

Harras hat sich auf die Lippen gebissen, brummt vor sich hin. So so. Daran liegt's. Da läuft so ein armer Junge mit einer unbestimmbaren Urgroßmutter herum. In aufsteigender Wut Na, und was wissen Sie denn über die Seitensprünge der Frau Urgroßmutter? Die hat doch sicher keinen Ariernachweis verlangt. Oder - sind Sie womöglich gar ein Abkömmling von jenem Kreuzritter Hartmann, der in Jerusalem in eine Weinfirma eingeheiratet hat?

Hartmann, sachlich So weit greift die Rassenforschung nicht zurück, Herr General.

Harras Muß sie aber! Muß sie! Wenn schon - denn schon! Denken Sie doch - was kann da nicht alles vorgekommen sein in einer alten Familie:

Vom Rhein - noch dazu. Vom Rhein. Von der großen Völkermühle. Von der Kelter Europas! Ruhiger Und jetzt stellen Sie sich doch mal Ihre Ahnenreihe vor - seit Christi Geburt. Da war ein römischer Feldhauptmann, ein schwarzer Kerl, braun wie ne reife Olive, der hat einem blonden Mädchen Latein beigebracht. Und dann kam ein jüdischer Gewürzhändler in die Familie, das war ein ernster Mensch, der ist noch vor der Heirat Christ geworden und hat die katholische Haustradition begründet. Und dann kam ein griechischer Arzt dazu, oder ein keltischer Legionär, ein Graubündner Landsknecht, ein schwedischer Reiter, ein Soldat Napoleons, ein desertierter Kosak, ein Schwarzwälder Flözer, ein wandernder Müllerbursch vom Elsaß, ein dicker Schiffer aus Holland, ein Magyar, ein Pandur, ein Offizier aus Wien, ein französischer Schauspieler, ein böhmischer Musikant - das hat alles am Rhein gelebt, gerauft, gesoffen und gesungen und Kinder gezeugt - und - und der der Goethe, der kam aus demselben Topf, und der Beethoven und der Gutenberg, und der Matthias Grünewald und - ach was, schau im Lexikon nach. Es waren die Besten, mein Lieber! Die Besten der Welt! Und warum? Weil sich die Völker dort vermischt haben. Vermischt - wie die Wasser aus Quellen und Bächen und Flüssen, damit sie zu einem großen, lebendigen Strom zusammenrinnen. Vom Rhein - das heißt: vom Abendland. Das ist natürlicher Adel. Das ist Rasse. Seien Sie stolz darauf, Hartmann - und hängen Sie die Papiere Ihrer Großmutter in den Abtritt. Prost.




Schlagt mich tot, aber erstens hat Harras völlig Recht, mit seiner Einschätzung der Bedeutung des Arienachweises, und zweitens ist das eine der schönsten Liebeserklärungen an das Rheinland und seine Menschen, die ich je gelesen habe!

Tja, und last but not least, was Zuckmayer da seinem Harras über Vermischung der Völker in den Mund legt, ist nicht nur wahr, sondern auch eine Ohrfeige an den Rassenwahn der ewig Gestrigen.

Sollen sie sich also ruhig reinzüchten…und der Degeneration in die Hände spielen, mir soll das recht sein.

Allerdings hält sich meine Erheiterung auch in Grenzen, denn eigentlich war ich ja „dem Deutschen“ auf der Spur und wenn ich dann so einen Dreck finde, dann könnte man denken, dass „der Deutsche“ eben doch „hässlich“ und ein „Hunne“ ist.

Aber dann fällt mir ein, was mein Vater zu meinem Sohn gesagt hat, als wir uns über den Nationalsozialismus und besonders die heutige „Neo-Nazi-Szene“ diskutierten, einschließlich all der Riegers, Voigt, Pasteurs und wie sie alle heißen:

"Das sind keine Deutschen, die dürften das Wort gar nicht in den Mund nehmen, denn sie wissen gar nicht, was es bedeutet!"

Der Ton meines Vaters war dabei weder ruhig, noch gelassen. Ganz im Gegenteil!

Und er muß es wissen, er ist einer der, von Hitler und seinen Schergen, missbrauchten Jugend, deren Ideale sie in den Dreck gezogen und ihre Unschuld geraubt haben, erst durch die Frühprägung in der HJ und dann dadurch, dass sie ihn '44 mit 17 in eine Uniform steckten und in einen sinnlosen und schon verlorenen Krieg schickten.

Mein Vater darf sich also ein Urteil erlauben!

5 Kommentare:

  1. Hallo,

    als ich diesen Text von Dir las, fiel mir ein Professor an der Uni ein, bei dem ich mal eine Vorlesung
    gehört habe. Er war Zoologe und sagte in der Vorlesung, dass biologisch gesehen Kinder aus Mischlingsehen genetisch minderwertig im Vergleich zu reinrassigen Kindern wären.
    Nein, es ging kein Raunen durch die Studenten. Er setzte die Vorlesung einfach fort.
    An einer anderen Stelle sagte er, dass Frauen kleinere Gehirne haben als Männer. Dann wartete er so lange, bis er die Lacher der Männer hatte, auf die er wartete.

    Seufz!
    Was soll ich sagen?

    Astraryllis.

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  2. Was für ein reizender Mensch!

    Mal davon abgesehen, dass er es als Zoologe hätte besser wissen sollen, spiegelt diese Vorfälle eine noch schlimmere Art des Rassismus und der Diskriminierung da, weil sie eben so beiläufig und nonchalant ist.

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  3. Astaryllis, was der Prof da vom Stapel liess, ist nichts als Dummheit, die Genetik hat das längst überholt. Je mehr Mischung, desto vielfältiger die Möglichkeiten. Hautfarbe ist eh relativ und die Gene auch. Alles eine Frage der Anpassung an den individuellen Lebensraum.

    Krähe, der Artikel ist eine Augenweide, er entlarvt diesen Unsinn als das was er ist.

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  4. Danke für das Lob, Sir! :)

    Nach einigen umständlichen Formulierungsversuchen, habe ich als Antwort und Statement zu meiner Meinung von Rassismus einen eigenen Blogeintrag verfasst.

    Siehe "Der Kümmeltürke"

    Ich denke, mehr muss ich nicht sagen

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  5. Crow ... und wieder etwas für die Zeitung ... mach da mal eine Serie raus ... der Deutsche im Weltnetz!

    Aber das mit den kleineren Gehirnen stimmt! Frauen haben wirklich kleinere Gehirne ... jedoch eine stärkere Vernetzung ... hier kommt es nicht auf die Quantität sondern auf die Quälität an ... oder für Männer "Nicht die Grösse zählt, sonders was es leistet!"

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