"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Montag, 22. Februar 2010

"Deutsch for Runaways" - Einleitung und Lektion 1 - Begriff "Toleranz"

Auch, wenn ich gemeinhin rede, wie ein Wasserfall, lege ich besonderen Wert auf das Sprachgefühl.
Obwohl ich im normalen Umgang nicht jedes Wort auf die Goldwaage lege, ist es mir wichtig Worte nach ihrer korrekten Bedeutung zu nutzen. Der Verfall der Deutschen Sprache liegt für mich eben nicht in der Benutzung nicht-deutscher Worte, sondern vielmehr an dem gedankenlosen Umgang mit der Sprache selbst. Das klingt jetzt wieder so hochgestochen und klugscheißend. Okay, in der Beziehung Sprachgebrauch stehe ich dazu, ein Korinthenkacker zu sein.
Das liegt zu einem nicht geringen Teil daran, dass ich Sprache, ihre Ausdruckskraft, ihren Symbolgehalt und Vielsichtigkeit wirklich liebe.
Sprache ist auch eine Art Magick, und so sorgfältig man dort arbeitet, so sorgsam sollte man auch Sprache nutzen.

Darum bekomme ich, zum Beispiel, jedesmal einen blutunterlaufenen Blick und Schaum vor dem Mund, wenn ich höre, wie jemand  "wo" statt "als" als Konjunktion zur Einleitung einer adverbialen Bestimmung der Zeit (Temporaladverbial) nutzt.
Ein Satz wie "Weißt du noch, wo wir den Mann gesehen haben?" ergibt einen völlig anderen Sinn als "Weißt du noch, als wir den Mann gesehen haben!"
Im ersten Fall geht es um den Ort, im zweiten um den Zeitpunkt.
Argh, hört das denn keiner? Anscheinend nicht, denn das gut alte "als" kommt langsam aus der Mode. Immer häufiger hört man "Wo wir gegangen sind...", "Wo ich was gegessen habe...", "Wo ich xyz gemacht habe...", wenn eigentlich "als" gemeint ist.
Meine Güte, bemerkt denn keiner dieser Sprachartisten, dass man dem Satz dadurch eine völlig andere Bedeutung gibt?
Ich werde deshalb irgendwann noch zum Mörder! Jedenfalls kann ich mich irgendwann nicht mehr zusammenreißen und sehe mich schon aufspringen und den "Wo-Fetischisten" anbrüllen "Als...als...ALS...AAAAALLLLLSSSSSSSSSS!"

Dabei schlafe ich weder auf einem Wörterbuch, noch einer Deutsch-Grammatik.
Ehrlich gesagt, wenn ich mit Leuten im normalen privaten Umfeld rede, nutze ich noch die rudimentären Anteile des Rheinischen Platt, die mir verblieben sind (und höre mich manchmal ein wenig an, wie meine Tante Anna, die älteste Schwester meines Vaters, die nur Düsseldorfer Platt ( mit einem Anteil Ripuarisch, weil minge Omma kam us Aischwiile) und davon das sehr "spezielle" Oberbilker Platt jesproche hätt, da verstündste koom wat von, wennde det net mit der Muttermilsch einjesoojen hääst.  Very dirty, wenn ihr versteht, was ich meine. *g* ) und verschleife auch gerne Worte ("haste" statt "hast du", "hamma" statt "haben wir", "komma" statt "komm einmal (bitte) her", "dat" statt "das" etc.). Ich "singe" auch, das heisst, ich senke meine Stimme nicht zum Satzende, sonderen hebe sie und ziehe die letzte Silbe lang. Gehört eben zum Dialekt und Lokalkolorit. Auch eine Art Patriotismus.*g*
Sprache ist ja mehr als bloße Übermittlung von Information, sondern auch etwas, dass Charakter haben soll.
Das heisst ja weder, dass ich nicht auch Hochdeutsch sprechen könnte, auch wenn gewisse Eigenheiten trotzdem verbleiben, noch, dass ich jegliche Grammatik und Wortbedeutung außer Acht lasse.

Was mich eben nervt, ist die Gedankenlosigkeit, mit der manche Leute ihre Sprache benutzen.
Ich finde es eminent wichtig, dass man Worte eben nicht verwendet, weil sie von anderen in ähnlichem Zusammenhang auch angewendet werden, sondern sich selbst Gedanken macht, ob man auch wirklich meint, was das Wort nun aussagt.
Wie gesagt, man transportiert mit Worten ja nicht nur Inhalte, sondern unterstreicht und betont diese auch durch möglichst passende Vokabeln.

Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal auf mein "Lieblingswort" Toleranz zurückkommen.
Jeder benutzt dieses Wort, gerade schon inflationär, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sich kaum einer damit einmal gedanklich auseinandergesetzt hat. Abgesehen davon, dass es sich hierbei lediglich um ein ideele "Krücke" handelt, um bei unterschiedlichsten religiösen Belangen Dispute und kriegerischen Auseinandersetzungen (Dreißigjähriger Krieg, um nur mal die längste europaweite zu erwähnen) bei zu legen bzw. zu vermeiden, sollte man nicht nur wissen, was es bedeutet, sondern auch überlegen, ob man, wenn man es schon gebraucht, auch wirklich meint, was es aussagt, jenseits der bloßen, gemeinhin als gültig angenommenen Bedeutung.

"Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen tolerare („erdulden“) entlehnt. Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem 18. Jahrhundert belegt. Ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als die eigene“. Der Gegenbegriff zu Toleranz ist die Intoleranz, in der Bedeutung „Unduldsamkeit“ im 18. Jahrhundert aus dem französischen intolérance entlehnt."
Quelle: Wikipedia-Artikel "Toleranz"

Ich will hier nicht großartig rumphilosophieren, aber mal abgesehen davon, dass, für mein Gefühl, das "erdulden", aber auch "Duldsamkeit", so einen negativen Beigeschmack hat, muss man sich vor Augen führen, dass man, wenn man sagt, man toleriert etwas, damit im Grunde bloß ausdrückt, dass man etwas duldet. Von daher ist Toleranz ein klasse Wort. Kann man wunderbar verwenden, wenn man damit meint, ich mag dich nicht, ich würde dir am liebsten auch den Schädel einschlagen, aber ich lass dich mal am Leben, so lange du dich nicht rührst.
In einem Rudel Wölfe herrscht auch Toleranz, solange jeder auf seinem Platz, Rang, verbleibt, aber wehe, wenn ein niederrangiges Tier sich beim Fressen vordrängt, weil es so großen Hunger hat oder sich zum Schlafen an Alpha oder Beta kuschelt, weil es so kalt ist.

Klarer wird die Wortbedeutung noch, wenn man mal in dem Wiki-Beitrag "Toleranz (Technik)" schaut. Dort findet man folgende Erklärung:
"Die Toleranz bezeichnet den Zustand eines Systems, in dem eine von einer störenden Einwirkung verursachte Abweichung vom Normalzustand (noch) keine Gegenregulierung oder Gegenmaßnahme notwendig macht oder zur Folge hat. Im engeren Sinn ist Toleranz das Ausmaß der Abweichung einer Größe vom Normzustand oder Normmaß, das die Funktion eines Systems eben noch nicht gefährdet."

Was ich damit sagen möchte, ist, Toleranz hat nichts mit Gleichwertigkeit zu tun. Es bedeutet vielmehr eine Abwertung des zu Tolerierenden. Dies setzt aber zumindest bei dem Toleranz Gewährenden ein gewisses Maß an hierarchischem Denken voraus. Er oder seine Gruppe steht an der Spitze einer Pyramide und die, welchen Toleranz entgegen gebracht wird, gruppieren sich (weit? wie weit?) darunter.
Selbst, wenn man statt "Dulden" "Nachsicht" als Synonym für "Toleranz" her nimmt, ändert sich nichts an diesem Ergebnis, da man nur nachsichtig gegenüber jemandem sein kann, der sich subjektiv gesehen, "daneben benimmt", also ein Fehlverhalten an den Tag legt. Bei uns gibt es für den Fall eine Redewendung: "Ich sag' ja nichts, aber der Herrgott hört mich knurren!" Das sagt nichts anderes aus, als dass ich etwas nicht gut finde, aber ich gebe es eben nicht offen zu.

Wer's nicht glaubt, kann ja einmal die Probe auf's Exempel machen und jedesmal, wenn er eigentlich "tolerieren" sagen möchte, es gegen "dulden" oder "Nachsicht üben" ersetzt. Wenn der Sinngehalt des Satzes dann immer noch aussagt, was man eigentlich meint, gut.
Wenn man dann aber das Gefühl hat, der Satz hört sich irgendwie komisch, doch so unverschämt und abwertend, an,  dann sollte man lieber nach einer anderen Vokabel suchen, die besser ausdrückt, was man eigentlich sagen möchte.
Die meisten Menschen, so meine Beobachtung, sagen nämlich "Toleranz" und meinen "Ich nehme dich so, wie du bist!". Das sagt das Wort aber eben nicht aus. Was sie meinen, ist Akzeptanz, das Anerkennen eines anderen Menschen oder einer anderen Meinung als gleichwertig oder vielleicht auch Achtung, im Sinne von respektieren.

Abgesehen davon, für mein Sprachgefühl, hat Toleranz auch immer etwas mit Gleichgültigkeit, Passivität, sich nicht auseinandersetzen (wollen) zu tun, wogegen Akzeptanz voraussetzt, dass ich mich mit dem Gegenstand oder der Person aktiv auseinandersetzten muss.
Mag ja ziemlich arrogant klingen, aber ich denke, Leute die (bloß) tolerieren, sind zu faul, sich mit einer Thematik eingehend zu befassen. Dann könnte man nämlich ziemlich genau definieren, was man an anderen Auffassungen oder Personen anerkennt, was man (noch) dulden kann und was man rigoros ablehnt.

Gibt jedoch Menschen, die per se alles tolerieren, aus der allumfassenden Toleranz eine Art Kult zelebrieren und schon die leiseste Kritik als Angriff auf die Menschenrechte werten. Sie sehen dieses Verhalten als altruistisch und  philanthropisch. Abgesehen davon, dass ich es eben für sehr fraglich halte, ob sie wirklich wissen, was Toleranz sprachlich alles beinhaltet, nenne ich das vielmehr gleichgültig und verantwortungslos. Wenn ich alles dulde, dann drücke ich mich nämlich auch davor, Entscheidungen treffen zu müssen, hinsichtlich einer persönlichen Positionierung gegenüber, oder auch im Konsens mit, meiner Umwelt. Anstatt aktiv am Leben teilzuhaben, sitzt man quasi teilnahmslos in der Welt und lässt, passiv, geschehen, nimmt sich selbst aber gleichzeitig die Möglichkeit, etwas von außen anzunehmen.
(Interessanterweise reicht die Duldsamkeit der Toleranz-Kultisten allerdings nie so weit, dass sie auch  tolerieren könnten, wenn man bezüglich der angemessenen Anwendung von Toleranz anderer Auffassung ist. Da schlagen sie eben sehr schnell mit der Keule "Intoleranz" zu. Von daher bewegt sich ihr Verhalten da schon innerhalb der Parameter, welche laut Herkunft, Bedeutung und Sprachgefühl das Wortes "Toleranz" tatsächlich definieren.)


Als kleine Gedankenstütze hilft:
  • Toleranz (Dulden) - von oben herab, hierarchisch, abgrenzend, passiv
  • Akzeptanz (Anerkennen) - nebeneinander, gleichwertig, offen, aktiv

"Toleranz ist Liebe, belastet mit der Krankheit des Hochmuts."
Khalil Gibran
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."
Johann Wolfgang von Goethe





Anmerkung:

Eigentlich wollte ich hier nur kurz anhand von wenigen Beispielen erläutern, wieso Wissen um die korrekte Bedeutung eines Wortes, wie auch um dessen ursprüngliche Herkunft und Ableitung, Berücksichtigung des Sprachgefühl und generell Sorgfalt im Gebrauch der Sprache so wichtig ist, besonders auch in Hinblick darauf, was man eben verbal transportieren möchte.
Ich denke einfach, dass 90% aller zwischenmenschlicher Missverständnisse darauf beruhen, dass man zwar die gleiche Muttersprache spricht, das aber nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass man auch dieselbe Sprache spricht. Manchmal hat das mit Gedankenlosigkeit zu tun, manchmal auch mit Unkenntnis.
Leider musste ich zu meiner Schande feststellen, dass allein die Abhandlung des Wortes "Toleranz" hier fast die Grenzen des Beitrags gesprengt hat, die man als noch vertretbar ansehen kann.
Da aber, nach meinen Beobachtungen, noch viele Worte im Umlauf sind, welche teilweise sinnentfremdet Anwendung finden, führe ich einfach eine neue Kategorie ein, "Deutsch for Runaways" - quasi "Die Krähe kackt ihre Korinthen über die deutsche Sprache und deren "Missbrauch"" *g*

Dort greife ich in meiner bekannten wie berüchtigten Weitschweifigkeit immer mal wieder ein oder zwei Worte auf, deren Gebrauch mir besonders negativ aufgefallen sind. So ein, zwei habe ich da eh noch in petto, die ich hier heute nicht mehr anbringen wollte/konnte/durfte.
Ich quäle euch also weiter mit meinen Klugscheißereien in Sachen deutsche Sprache. Freut euch drauf. *fg*

Sonntag, 21. Februar 2010

Video-Nachtrag zu meinem Homeschooling-Artikel

Ich hatte ja in den Kommentaren zu meinem Beitrag : "Verfolgte" Evangelikale in Deutschland - Homeschooling wirklich Patentrezept? bereits die ARD-Reportage “Die Hardliner des Herrn” von Tilman Jens aus dem Jahre 2007ev erwähnt.

Hier nun der betreffende Ausschnitt mit einem sehr aufschlussreichen Beispiel heim-unterrichtender, evangelikaler Eltern aus Bautzen.

Brauche ich nicht weiter zu kommentieren, spricht für sich.

 

Montag, 8. Februar 2010

Was ist Thelema?

Gerade auf Youtube gefunden.
Zugegeben, eine sehr kurze Einführung, aber nett gemacht.




Wer mehr wissen möchte, kann ja mal hier nachschauen.

Sonntag, 7. Februar 2010

Gedanken zum gescheiterten Indizierungsantrag der neue NPD-Schulhof-CD

Manchmal denke ich mir wirklich, ich bin im falschen Film.
Einerseits möchte man das Internet für Kinder und Jugendliche am besten ganz wegsperren (s. Vorbeugende Maßnahmen), weil die Inhalte ja ganz böse Folgen auf die die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit haben könnten und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert jeden Mist, wie das neue Rammstein-Album "Liebe ist für alle da" (ratet mal auch wessen Antrag *fg* Sie war es auch, die versucht hat, auf diesem Weg "Das Kleine Ferkel" aus dem Verkehr zu ziehen, leider vergeblich. *g*), Andererseits sieht genau diese Bundesprüfstelle keine Handhabe gegen die neue Schulhof-CD, die die NPD so gern an Jugendliche verteilt, um sie ideologisch zu aufrechten Deutschen zu polen, wie gestern N-TV in ihrem Artikel "Indizierungsantrag scheitert: Nazimusik auf Schulhöfen legal" berichtete.
"Die Leiterin der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding, sagte der Zeitung, dies sei die erste Entscheidung der Prüfstelle über eine Musik-CD der NPD. Die Begründung liege allerdings erst in der nächsten Woche vor."
Auf die Begründung bin ich aber mal gespannt.

Klar, Indizierung heißt ja nicht, dass die indizierten Medien dann verboten sind, sondern lediglich nur nicht mehr öffentlich beworben und nur an volljährige Personen nach Altersverifikation abgegeben werden dürfen.
Aber im Falle eben dieser bescheuerten CDs wäre das ja mal ein entscheidender Vorteil, da sie ja von den Rechtsextremen, und dazu zähle ich die NPD, eben zum Zwecke der Mitgliederakquise an Minderjährige kostenlos verteilt werden.

Gut, man könnte jetzt einräumen, dass so eine Indizierung einerseits eine super Werbung ist und zudem die Antihaltung gegen diese Schulhof-CDs ihr eine überzogene Bedeutung beimisst und sie somit für pubertierende Jugendliche in ihrer entwicklungsbedingten Renitenz gegen noch so gute Argumente erst richtig interessant macht.

Dem muss ich sogar zustimmen.
Allerdings habe ich mir zwei dieser Machwerke mal gegeben, sprich, ich habe sie mir besorgt und angehört, weil ich mir selbst ein Bild machen wollte.
Ehrlich gesagt, ich konnte gar nicht so viel essen, wie ich nach dem "Genuss" der Schulhof-CDs 2004 und 2006 kotzen musste.
In einer Mischung aus (Rechts-)Rock und getragenen Balladen wird den Kids klar zum Ausdruck gebracht, wie schlecht es doch um Deutschland steht und wie beschissen(sorry!) und intolerant doch der "Rechtsstaat" ist.
Es wird auch viel vom Kampf um die Freiheit gesungen.
(Liebe Leute, bitte mal nachdenken: Wer glaubt, das es der NPD oder sonst einer Rechtsextremen Gruppierung um Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit  Kameradschaft ginge, der darf mal ganz intensiv darüber nachdenken, wie das Herausgeben von Namen und Adressen sogenannter "politischer Feinde", also Leuten, die sich offen gegen rechts aussprechen, auf Blacklists, inklusive unterschwelliger "Lösungsansätzen", dazu passt. Kann sich jeder selber ausrechnen, was erst passieren würde, sollten die "Rechtskonservativen" mal wieder an die Macht kommen. Die Frage, ob dann auch noch dieselben Politischen Gegner offen ihre Meinung kundtun dürften, mit Demonstrationen oder Kundgebungen, wie es heute ja auch die Rechten dürfen, erübrigt sich da ja wohl ebenfalls.  Aber das ist ja auch wieder nur blödes "Gutmenschengelaber", "politicle correctness" und "Systempropaganda".)

Besonders ätzend empfinde ich jedoch die Balladen.
Eingängig mit leicht weinerlichem, anrührendem oder pathetischem Unterton. Am ärgerlichsten sind, meiner Meinung nach, die Lieder, in denen irgendwelche deutschen "Muttis", in einem Fall Anette, die "für Deutschland einen Sohn geboren" hat,  mit getragenen Stimme von ihrem "harten Überlebenskampf" mit ihren "blonden Kindern" singen, natürlich gegen irgendwelche Anderen, die vom Staat alles hinten rein geschoben bekommen, natürlich ohne Eigenleistung und deren Kinder offenkundig bevorzugt werden. Zwar wird es nicht näher beschriebenen, aber es wird doch recht offenkundig, dass es sich dabei um Mitmenschen mit Migrationshintergrund handelt.
Diese Lieder gehen, völlig beabsichtigt, bei so manchem, besonders wohl  "deutschen Müttern" oder aber "deutschen Söhnen", von den Ohren direkt ins Herz, ohne überflüssige Umwege über das Gehirn (sofern vorhanden). 


Der Oberhammer war eine deutschnationale Interpretation von "White, Orange und Green", "Das Mädel mit der Fahne"...Schauplatz 1945 in Hamburg, "im Mai '45, als der Feind im Reich stand", Protagonisten diesmal ein "Mädel mit der Fahne vom deutschen Reich". Den englischen Soldaten, haben sie vom Original übernommen.
Mal ganz ehrlich, wer den Freiheitskampf der Iren gegen die Engländer mit der Besatzungszeit in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges vergleicht, sollte sich mal untersuchen lassen. Oder sich über die   Geschichte der englischen Besetzung Irlands wenigsten ansatzweise informieren und dabei gleich mal solche Begriffe wie "Black and Tans" oder "Bloody Sunday" nachschlagen. (es gibt für diejenigen, die es mit dem Lesen nicht so haben, auch sehr gute Dokumentationen dazu.)


Das Problem sind aber nicht wirklich die Lieder, sondern eben, dass darin unterschwellig eine Botschaft an die Jugendlichen gebracht wird, nämlich, dass der Deutsche an sich (wer immer das sein soll) im eigenen Staat als rechtlos und unterdrückt gilt, von "Den Linken", "den Ausländern", "den Gutmenschen", "dem System".
Was ein Erwachsener mit einem Mindestmaß an Bildung und somit Kenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge schnell als das entlarvt, was es ist, eben kaum verschleierte Manipulation, wird ein Jugendlicher, der ja entwicklungsbedingt sowieso schon eine konträre Einstellung gegen hergebrachte Konventionen einnimmt, sich ohnehin unverstanden, ungeliebt und verfolgt fühlt, nicht so leicht durchschauen. Ihm bietet die NPD mit ihren ideologischen Winkelzügen einfache Gründe und ebenso einfache Lösungsansätze. "Die sind Schuld, also komm zu uns."
Hinzu kommt, dass kaum jemand aus der heutigen Generation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch jemand im Familien- oder Bekanntenkreis hat, der Drittes Reich und den Zweiten Weltkrieg noch selbst erlebt hat. Diese Generation stirbt langsam aus. Also kann den Jungen auch kaum noch jemand sagen, wie es wirklich war. Sie sind auf Quellen aus zweiter und dritter Hand angewiesen. Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, ob einem Eltern oder Großeltern von der Euphorie und der späteren Ernüchterung berichten, als sie begriffen, dass sie nur benutzt und ihrer Jugend beraubt wurden, mit den gleichen Phrasen, die auch heute noch vom rechten Spektrum verwendet werden, oder ob man das von einem Unbekannten hört oder in irgendeinem Buch liest.
Außerdem lässt der Mangel an Augenzeugen einen großen Spielraum für Legendenbildung und Lügengebilde.

Dennach erfüllten zumindest die Schulhof-CDs 2004 und 2006, und nur für die kann ich sprechen, da ich die aktuelle Ausgabe nicht kenne, für mich durchaus die Voraussetzungen für eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle, wenn man sich nach deren "Wegweiser Jugendmedienschutz" richtet.
"Jugendmedienschuzt hat die Aufgabe, Einflüsse der Erwachsenenwelt, die dem Entwicklungsstand der Heranwachsenden noch nicht entsprechen, von Kindern und Jugendlichen fern zu halten und diese so bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Die Jugendmedienschutzinstitutionen beurteilen Medieninhalte dahingehend, ob sie jugendgefährdend oder jugendbeeinträchtigend sind. Die Entscheidungen haben zur Folge, dass bestimmte Medien Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht oder nur unter bestimmten Altersgruppen verbreitet bzw. zu einer bestimmten Sendezeit ausgestrahlt werden dürfen."
Aber, dass es sich dabei ja einerseits um ein zweischneidiges Schwert handelt, andererseits die Vermutung nahe liegend ist, dass die Entscheidung über eine Indizierung auch immer etwas mit der Tatsache zu tun haben könnte, wer da den Antrag stellt und unter welcher Prämisse (ja, ich bin böse!), wälzt man die Verantwortung also in diesem Fall an die Schulen ab.
Nur so nebenbei, auf Schulhöfen ist die Verteilung der NPD-Schulhof-CD sowieso schon untersagt. Darüber, was außerhalb der Schulhofgrenzen passiert, hat keine Schule eine Handhabe.
Ähnlich dürfte es mit Jugendclubs aussehen.

Was könnte man also tun?

Eine mir sehr wirksam erscheinende Maßnahme wäre, sich einer solchen CD einmal im Rahmen des Unterrichts anzunehmen, sie sich anzuhören und die Texte inhaltlich und auch hinsichtlich der emotionalen und psychologischen Wirkung zu analysieren.
Kinder und Jugendlich müssen einfach lernen, auf was man achten sollte, und wie unterschwelige Manipulation und somit jede Art von Propaganda funktioniert.

Aber das ist fast schon illusorisch. Wenn bekannt würde, dass man eine Rechte CD bespricht, kämen bestimmt aus allen Ecken Lehrer, Eltern und  sich berufen fühlende "Anti"-Menschen und blümchenwerfende Sozialpädagogen gerannt und würden Zeter und Mordio schreien.

Das ist nämlich das eigentlich Problem.
Man kann Themen wie Rechte Ideologien und die Funktionsweisen des Nationalsozialismus einfach nicht sachlich und emotionslos diskutieren.
Das ist aber, meiner Meinung nach, der Hauptgrund, warum die Rechten mit ihrer Ideologie immer noch so großen Erfolg haben und teilweise offene Türen einrennen.

Einerseits, weil  Nationalsozialismus und Neonazitum nicht ausreichend oder auf die falsche Weise  thematisiert werden, nämlich entweder so, als als spräche man über - sorry - Masturbation (über sowas redet man nicht und wenn dann hechelt man das Thema durch und ist froh, wenn man es hinter sich hat) oder es werden bis zum Erbrechen nur Namen, Zahlen und Daten runtergerasselt.
Aber darüber, was die damalige Bevölkerung  empfand, als nach einem verlorenen Weltkrieg (die "Schmach von Versailles"), Weltwirtschaftskrise und Depression plötzlich eine Partei mit einfachen Lösungen für alle Probleme und einem einzigen Ziel, Deutschland wieder "zu seinem Recht" zu verhelfen, auftauchte, darüber wird nicht gesprochen.
Es werden nie Texte und Reden, wie zum Beispiel die Legenden umwobene "Sportpalastrede" angehört und analysiert und somit entmystifiziert, und über "Mein Kampf" wird viel geredet, aber kaum einer kennt diese Machwerk und somit seinen Inhalt wirklich.
Allen Gerüchten zum Trotz, lediglich der Verkauf bzw. der Erwerb. der Originalausgabe ist in Deutschland  verboten, nicht der Besitz und schon gar nicht das Lesen (wie ein besonders sinniger Lehrer meines Sohnes meinte).
Bei den erhältlichen Ausgaben handelt es sich um dokumentierte Exemplare, wobei die Dokumentationen zwar hilfreich sind, aber eben den Fluss des eigentliche Inhaltes, ohnehin nur in Auszügen enthalten , zu oft unterbrechen, sodass  der Zusammenhang und somit das ganze Ausmaß der Gedankenwelt des Mannes, der Jahre später Deutschland in den moralischen und finanziellen Ruin stürzte, nicht wirklich so erfasst und begriffen werden kann, wie in dem Original.

Und die beste Methode, um die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes zu verhindern, ist und bleibt die reichliche Lektüre von "Mein Kampf", da muss ich Theodor Heuss unbeschränkt recht geben..

Aber so lange man immer noch denkt, durch die Lektüre allein würde man automatisch zum Nazi, so lange man der Meinung ist, man sollte besonders der Jugend vermitteln, dass das, was damals in Deutschland passierte nur auf die Kosten einiger weniger verirrter Seelen oder gar Verbrecher geht, so lange man die Suche nach den Ursachen immer noch nur auf die Schuldfrage reduziert, so lange arbeitet man den Rechten Kohorten in die Hand.
Dinge, über die man nicht spricht, schwindet ja nicht einfach. Vielmehr entwickeln sie oft ein unerwünschtes Eigenleben.
Tabu und Verbote fördern nicht nur in unerheblichem Maße die, bereits erwähnte, Legendenbildung, sie begünstigen auch Opferhaltung und Märtyrertum, wie man es immer wieder in der Argumentation und Propaganda der Rechtsradikalen findet.

Es ist bei der Vermeidung, dass immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene sich der Rechten Szene anschließen, auch nicht besonders hilfreich, gleich jedesmal "Nazi, Nazi!" zu schreien, wenn sie ihre Gedankengänge von "Nationalstolz" und "Patriotismus" zum Ausdruck bringen oder sich eine Zeit lang Nazi-Mucke anhören.
Tut man das ständig, treibt man sie den Rattenfängern ja fast in die Arme, denn sie werden sich natürlich dann dort ihre "Freunde" suchen, wo sie nicht ständig angegangen fühlen, wo sie Bestätigung finden und ihre Meinung dem Standard entspricht. Und dort werden sie dann weitere Indoktrination erfahren.

Besser wäre es, das Gespräch zu suchen, sie zu fragen, wieso sie so denken und sachlich und ohne moralischen Zeigefinger mal über die ganzen Fehlinformationen und Gerüchte, die in Bezug auf die jüngere deutsche Geschichte und die ganzen Begrifflichkeiten, die man gemeinhin mit Nazitum in Verbindung bringt, zu reden.
Wenn man ihnen nämlich vermitteln würde, dass man ihnen wegen ihrer Gedanken nicht gleich die Rübe abreißt, dann würden sie vielleicht eher etwas von den Gegenargumenten annehmen, als wenn man sie gleich in die Rechte Ecke stellt und davon jagt.

Just my 50 cent...