Obwohl ich im normalen Umgang nicht jedes Wort auf die Goldwaage lege, ist es mir wichtig Worte nach ihrer korrekten Bedeutung zu nutzen. Der Verfall der Deutschen Sprache liegt für mich eben nicht in der Benutzung nicht-deutscher Worte, sondern vielmehr an dem gedankenlosen Umgang mit der Sprache selbst. Das klingt jetzt wieder so hochgestochen und klugscheißend. Okay, in der Beziehung Sprachgebrauch stehe ich dazu, ein Korinthenkacker zu sein.
Das liegt zu einem nicht geringen Teil daran, dass ich Sprache, ihre Ausdruckskraft, ihren Symbolgehalt und Vielsichtigkeit wirklich liebe.
Sprache ist auch eine Art Magick, und so sorgfältig man dort arbeitet, so sorgsam sollte man auch Sprache nutzen.
Darum bekomme ich, zum Beispiel, jedesmal einen blutunterlaufenen Blick und Schaum vor dem Mund, wenn ich höre, wie jemand "wo" statt "als" als Konjunktion zur Einleitung einer adverbialen Bestimmung der Zeit (Temporaladverbial) nutzt.
Ein Satz wie "Weißt du noch, wo wir den Mann gesehen haben?" ergibt einen völlig anderen Sinn als "Weißt du noch, als wir den Mann gesehen haben!"
Im ersten Fall geht es um den Ort, im zweiten um den Zeitpunkt.
Argh, hört das denn keiner? Anscheinend nicht, denn das gut alte "als" kommt langsam aus der Mode. Immer häufiger hört man "Wo wir gegangen sind...", "Wo ich was gegessen habe...", "Wo ich xyz gemacht habe...", wenn eigentlich "als" gemeint ist.
Meine Güte, bemerkt denn keiner dieser Sprachartisten, dass man dem Satz dadurch eine völlig andere Bedeutung gibt?
Ich werde deshalb irgendwann noch zum Mörder! Jedenfalls kann ich mich irgendwann nicht mehr zusammenreißen und sehe mich schon aufspringen und den "Wo-Fetischisten" anbrüllen "Als...als...ALS...AAAAALLLLLSSSSSSSSSS!"
Dabei schlafe ich weder auf einem Wörterbuch, noch einer Deutsch-Grammatik.
Ehrlich gesagt, wenn ich mit Leuten im normalen privaten Umfeld rede, nutze ich noch die rudimentären Anteile des Rheinischen Platt, die mir verblieben sind (und höre mich manchmal ein wenig an, wie meine Tante Anna, die älteste Schwester meines Vaters, die nur Düsseldorfer Platt ( mit einem Anteil Ripuarisch, weil minge Omma kam us Aischwiile) und davon das sehr "spezielle" Oberbilker Platt jesproche hätt, da verstündste koom wat von, wennde det net mit der Muttermilsch einjesoojen hääst. Very dirty, wenn ihr versteht, was ich meine. *g* ) und verschleife auch gerne Worte ("haste" statt "hast du", "hamma" statt "haben wir", "komma" statt "komm einmal (bitte) her", "dat" statt "das" etc.). Ich "singe" auch, das heisst, ich senke meine Stimme nicht zum Satzende, sonderen hebe sie und ziehe die letzte Silbe lang. Gehört eben zum Dialekt und Lokalkolorit. Auch eine Art Patriotismus.*g*
Sprache ist ja mehr als bloße Übermittlung von Information, sondern auch etwas, dass Charakter haben soll.
Das heisst ja weder, dass ich nicht auch Hochdeutsch sprechen könnte, auch wenn gewisse Eigenheiten trotzdem verbleiben, noch, dass ich jegliche Grammatik und Wortbedeutung außer Acht lasse.
Was mich eben nervt, ist die Gedankenlosigkeit, mit der manche Leute ihre Sprache benutzen.
Ich finde es eminent wichtig, dass man Worte eben nicht verwendet, weil sie von anderen in ähnlichem Zusammenhang auch angewendet werden, sondern sich selbst Gedanken macht, ob man auch wirklich meint, was das Wort nun aussagt.
Wie gesagt, man transportiert mit Worten ja nicht nur Inhalte, sondern unterstreicht und betont diese auch durch möglichst passende Vokabeln.
Ich muss in diesem Zusammenhang noch einmal auf mein "Lieblingswort" Toleranz zurückkommen.
Jeder benutzt dieses Wort, gerade schon inflationär, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass sich kaum einer damit einmal gedanklich auseinandergesetzt hat. Abgesehen davon, dass es sich hierbei lediglich um ein ideele "Krücke" handelt, um bei unterschiedlichsten religiösen Belangen Dispute und kriegerischen Auseinandersetzungen (Dreißigjähriger Krieg, um nur mal die längste europaweite zu erwähnen) bei zu legen bzw. zu vermeiden, sollte man nicht nur wissen, was es bedeutet, sondern auch überlegen, ob man, wenn man es schon gebraucht, auch wirklich meint, was es aussagt, jenseits der bloßen, gemeinhin als gültig angenommenen Bedeutung.
"Das zugrundeliegende Verb tolerieren wurde im 16. Jahrhundert aus dem lateinischen tolerare („erdulden“) entlehnt. Das Adjektiv tolerant in der Bedeutung „duldsam, nachsichtig, großzügig, weitherzig“ ist seit dem 18. Jahrhundert belegt. Ebenso die Gegenbildung intolerant, als „unduldsam, keine andere Meinung oder Weltanschauung gelten lassend als die eigene“. Der Gegenbegriff zu Toleranz ist die Intoleranz, in der Bedeutung „Unduldsamkeit“ im 18. Jahrhundert aus dem französischen intolérance entlehnt."
Quelle: Wikipedia-Artikel "Toleranz"
Ich will hier nicht großartig rumphilosophieren, aber mal abgesehen davon, dass, für mein Gefühl, das "erdulden", aber auch "Duldsamkeit", so einen negativen Beigeschmack hat, muss man sich vor Augen führen, dass man, wenn man sagt, man toleriert etwas, damit im Grunde bloß ausdrückt, dass man etwas duldet. Von daher ist Toleranz ein klasse Wort. Kann man wunderbar verwenden, wenn man damit meint, ich mag dich nicht, ich würde dir am liebsten auch den Schädel einschlagen, aber ich lass dich mal am Leben, so lange du dich nicht rührst.
In einem Rudel Wölfe herrscht auch Toleranz, solange jeder auf seinem Platz, Rang, verbleibt, aber wehe, wenn ein niederrangiges Tier sich beim Fressen vordrängt, weil es so großen Hunger hat oder sich zum Schlafen an Alpha oder Beta kuschelt, weil es so kalt ist.
Klarer wird die Wortbedeutung noch, wenn man mal in dem Wiki-Beitrag "Toleranz (Technik)" schaut. Dort findet man folgende Erklärung:
"Die Toleranz bezeichnet den Zustand eines Systems, in dem eine von einer störenden Einwirkung verursachte Abweichung vom Normalzustand (noch) keine Gegenregulierung oder Gegenmaßnahme notwendig macht oder zur Folge hat. Im engeren Sinn ist Toleranz das Ausmaß der Abweichung einer Größe vom Normzustand oder Normmaß, das die Funktion eines Systems eben noch nicht gefährdet."
Was ich damit sagen möchte, ist, Toleranz hat nichts mit Gleichwertigkeit zu tun. Es bedeutet vielmehr eine Abwertung des zu Tolerierenden. Dies setzt aber zumindest bei dem Toleranz Gewährenden ein gewisses Maß an hierarchischem Denken voraus. Er oder seine Gruppe steht an der Spitze einer Pyramide und die, welchen Toleranz entgegen gebracht wird, gruppieren sich (weit? wie weit?) darunter.
Selbst, wenn man statt "Dulden" "Nachsicht" als Synonym für "Toleranz" her nimmt, ändert sich nichts an diesem Ergebnis, da man nur nachsichtig gegenüber jemandem sein kann, der sich subjektiv gesehen, "daneben benimmt", also ein Fehlverhalten an den Tag legt. Bei uns gibt es für den Fall eine Redewendung: "Ich sag' ja nichts, aber der Herrgott hört mich knurren!" Das sagt nichts anderes aus, als dass ich etwas nicht gut finde, aber ich gebe es eben nicht offen zu.
Wer's nicht glaubt, kann ja einmal die Probe auf's Exempel machen und jedesmal, wenn er eigentlich "tolerieren" sagen möchte, es gegen "dulden" oder "Nachsicht üben" ersetzt. Wenn der Sinngehalt des Satzes dann immer noch aussagt, was man eigentlich meint, gut.
Wenn man dann aber das Gefühl hat, der Satz hört sich irgendwie komisch, doch so unverschämt und abwertend, an, dann sollte man lieber nach einer anderen Vokabel suchen, die besser ausdrückt, was man eigentlich sagen möchte.
Die meisten Menschen, so meine Beobachtung, sagen nämlich "Toleranz" und meinen "Ich nehme dich so, wie du bist!". Das sagt das Wort aber eben nicht aus. Was sie meinen, ist Akzeptanz, das Anerkennen eines anderen Menschen oder einer anderen Meinung als gleichwertig oder vielleicht auch Achtung, im Sinne von respektieren.
Abgesehen davon, für mein Sprachgefühl, hat Toleranz auch immer etwas mit Gleichgültigkeit, Passivität, sich nicht auseinandersetzen (wollen) zu tun, wogegen Akzeptanz voraussetzt, dass ich mich mit dem Gegenstand oder der Person aktiv auseinandersetzten muss.
Mag ja ziemlich arrogant klingen, aber ich denke, Leute die (bloß) tolerieren, sind zu faul, sich mit einer Thematik eingehend zu befassen. Dann könnte man nämlich ziemlich genau definieren, was man an anderen Auffassungen oder Personen anerkennt, was man (noch) dulden kann und was man rigoros ablehnt.
Gibt jedoch Menschen, die per se alles tolerieren, aus der allumfassenden Toleranz eine Art Kult zelebrieren und schon die leiseste Kritik als Angriff auf die Menschenrechte werten. Sie sehen dieses Verhalten als altruistisch und philanthropisch. Abgesehen davon, dass ich es eben für sehr fraglich halte, ob sie wirklich wissen, was Toleranz sprachlich alles beinhaltet, nenne ich das vielmehr gleichgültig und verantwortungslos. Wenn ich alles dulde, dann drücke ich mich nämlich auch davor, Entscheidungen treffen zu müssen, hinsichtlich einer persönlichen Positionierung gegenüber, oder auch im Konsens mit, meiner Umwelt. Anstatt aktiv am Leben teilzuhaben, sitzt man quasi teilnahmslos in der Welt und lässt, passiv, geschehen, nimmt sich selbst aber gleichzeitig die Möglichkeit, etwas von außen anzunehmen.
(Interessanterweise reicht die Duldsamkeit der Toleranz-Kultisten allerdings nie so weit, dass sie auch tolerieren könnten, wenn man bezüglich der angemessenen Anwendung von Toleranz anderer Auffassung ist. Da schlagen sie eben sehr schnell mit der Keule "Intoleranz" zu. Von daher bewegt sich ihr Verhalten da schon innerhalb der Parameter, welche laut Herkunft, Bedeutung und Sprachgefühl das Wortes "Toleranz" tatsächlich definieren.)
Als kleine Gedankenstütze hilft:
- Toleranz (Dulden) - von oben herab, hierarchisch, abgrenzend, passiv
- Akzeptanz (Anerkennen) - nebeneinander, gleichwertig, offen, aktiv
"Toleranz ist Liebe, belastet mit der Krankheit des Hochmuts."Khalil Gibran
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: sie muß zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen."Johann Wolfgang von Goethe
Anmerkung:
Eigentlich wollte ich hier nur kurz anhand von wenigen Beispielen erläutern, wieso Wissen um die korrekte Bedeutung eines Wortes, wie auch um dessen ursprüngliche Herkunft und Ableitung, Berücksichtigung des Sprachgefühl und generell Sorgfalt im Gebrauch der Sprache so wichtig ist, besonders auch in Hinblick darauf, was man eben verbal transportieren möchte.
Ich denke einfach, dass 90% aller zwischenmenschlicher Missverständnisse darauf beruhen, dass man zwar die gleiche Muttersprache spricht, das aber nicht zwangsläufig bedeuten muss, dass man auch dieselbe Sprache spricht. Manchmal hat das mit Gedankenlosigkeit zu tun, manchmal auch mit Unkenntnis.
Leider musste ich zu meiner Schande feststellen, dass allein die Abhandlung des Wortes "Toleranz" hier fast die Grenzen des Beitrags gesprengt hat, die man als noch vertretbar ansehen kann.
Da aber, nach meinen Beobachtungen, noch viele Worte im Umlauf sind, welche teilweise sinnentfremdet Anwendung finden, führe ich einfach eine neue Kategorie ein, "Deutsch for Runaways" - quasi "Die Krähe kackt ihre Korinthen über die deutsche Sprache und deren "Missbrauch"" *g*
Dort greife ich in meiner bekannten wie berüchtigten Weitschweifigkeit immer mal wieder ein oder zwei Worte auf, deren Gebrauch mir besonders negativ aufgefallen sind. So ein, zwei habe ich da eh noch in petto, die ich hier heute nicht mehr anbringen wollte/konnte/durfte.
Ich quäle euch also weiter mit meinen Klugscheißereien in Sachen deutsche Sprache. Freut euch drauf. *fg*
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