"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Freitag, 29. April 2011

Der "Sack Reis" und die Geheimwaffe "AG"

Viele kennen das wohl nur zu gut:
Es gibt Themen, die kommen immer wieder, auch wenn man denkt, sie wären längst ausdiskutiert, durchgesprochen, schlicht überholt oder einfach nur so trivial, dass sich eine Diskussion ohnehin erübrigt. Kurz, sie sind so nützlich und interessant wie der sprichwörtliche  Sack Reis.
Gerade letztere beweisen aber meist eine erhebliche Halbwertszeit, die sogar die von Plutonium oder Uran locker in den Schatten stellt.

Diesem Phänomen begegnet man allerorten, egal ob in der Firma, dem Verein, dem Parteitreffen, einer beliebigen Initiative oder Infoveranstaltung, dem Elternabend in Schule oder Kindergarten, überall da, wo Menschen sich zusammenfinden um gemeinsam etwas zu bereden, zu beschließen oder sonst wie auf die Beine zu stellen.
Selbst eine verbindliche Agenda mit sehr stringent gehaltenen Tagesordnungspunkten bietet hier keine absolute Sicherheit vor besagten Endlos- oder Bumerang-Sachverhalten oder zum Grundsatzproblem aufgebauschten Banalitäten.
Mehr noch, je enger der zeitliche Rahmen oder der Themenkomplex, je dringender das Bedürfnis das Treffen so kurz und knapp wie möglich zu halten, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass irgendjemand so einen Alten Hut oder Plattitüde, deren Relevanz gegen null geht, auf den Tisch bringt. Sowohl Mordgier in den Augen, als auch mehr oder eher weniger vorgetäuschte Nervenzusammenbrüche seitens der gebeutelten Mitdiskutianten, werden dabei ebenso  ignoriert, wie Gähnen, Hinweise auf die vorgerückte Stunde oder sonstige Zeichen ostentativ geäußerten Desinteresses.
Frau "Kleinigkeitskrämer" oder Herr "Prinzipienreiter" - es ist nämlich, meiner Erfahrung nach, immer der gleiche Menschentyp - sind gegen solcherlei unterschwellige Botschaften schlicht immun.

Nun könnte man sagen, das einfachste wäre, von vornherein bekannte Triggerthemen sofort im Keim zu ersticken.
Guter Plan!
Funktioniert aber nicht!
Denn dann wird eben eine beliebige, gedankenlos hingeworfene Randbemerkung zu einer Staatsaffäre von geradezu globaler Wichtigkeit hoch stilisiert.

Neben vielen anderen solcher Vorfälle, denen ich im Laufe meines Lebens ausgeliefert war, ist mir "Die Wasserkasten-Affäre" am besten im Gedächtnis haften geblieben. Sie bietet auch ein hervorragendes Beispiel für oben beschriebene (Un-)Themen:

Ich war damals noch "junge" Mutter und als solche eine von eben dem einen unermüdlichen Drittel Elternschaft, welche die Teilnahme an  Elternabenden quasi als Pflicht ansahen. 
Als meine Große so im zweiten Schuljahr war, stand wieder so ein Elternabend an und die Klassenlehrerin wagte zu Beginn zu bemerken, dass der zeitliche Rahmen an diesem Abend sehr eng gesteckt wäre, da der Raum nur zwei Stunden zur Verfügung stünde und wir ja noch das Hauptthema "Erster mehrtägiger Jugendherbergsausflug" durch zusprechen hätten.
Alle nickten. Ja natürlich, also frisch ans Werk und die einzelnen Themenpunkte so schnell und effizient wie möglich abarbeiten.
Kein Problem!
Zuerst lief der Abend auch ganz gut an und wir lagen in der Zeit. Wir waren auch fast durch, als Frau Z., die Lehrerin, so nebenbei fragte, ob es für einen der Anwesenden Elternteile ein Problem darstellte, dass die Kinder aufgrund der großen Hitze - es war ja knapp nach den Sommerferien - ihren Durst am Wasserhahn des Klassenraumes löschten?
Große Stille - die Ruhe vor dem Sturm, wie sich herausstellte - dann allgemeines Abwinken, schließlich haben wir hier eine sehr gute Wasserqualität und es macht ja keinen Unterschied, ob der Nachwuchs nun zu Hause oder in der Schule am Wasserkran hängt.
So wollte sich Frau Z. endlich dem anstehenden Ausflug im Herbst, immerhin Hauptthema des Abends, zuwenden, als Frau und Herr S., ihres Zeichens  hoch ambitionierte Eltern einer "Einzelkind-Prinzessin", gewählte Repräsentanten der Klasse in der Elternpflegschaft, erklärten, in der Klasse von XY in Pusemuckel wäre es üblich den Kindern jeden Woche von den Eltern reihum einen Wasserkasten zu sponsern.
...und das Verhängnis nahm seinen Lauf.
Frau Z. entgleisten die Gesichtszüge, war sie doch schon ein paar Jährchen im Job und wusste wohl nun nur zu gut, was da jetzt käme.
Was soll ich groß erzählen, man diskutierte dann fast eine geschlagene Stunde Wasser-Marken, still, medium oder classic, Vorgehensweise und Rotationsintervalle beim Austausch, Kunststoff- oder Glasflasche, ob es nun besser sei, wenn jedes Kind einen eigenen Becher mitbrächte, oder man auch an Plastikbecher denken müsse, blasülzsabbel.
Ich saß da und dachte ich wäre im falschen Film, derweil Frau Z. immer öfter auf die Uhr schielte.
Als es mir dann zu viel wurde - ich wollte ja mal irgendwann wieder nach Hause, außerdem interessierte mich die Klassenfahrt auch viel mehr, als Geschmacksrichtungen der unterschiedlichen Mineralwassermarken - unterbrach ich die Runde mit dem Vorschlag, bevor man weiter diskutierte, sollten doch einfach einmal alle Anwesenden, die überhaupt Mineralwasser für den Nachwuchs dem Leitungswasser vorzögen, die Hand heben.
Zuerst sahen mich alle entgeistert an. Als sich dann niemand meldete, wandte ich ein, damit wäre die Diskussion ja hinfällig und wir könnten weiter machen. Auch wären wir ja sowieso nicht "beschlussfähig", da ja immerhin zwei Drittel der Eltern durch Abwesenheit glänzten und man so eine Entscheidung, die ja auch für die Abwesenden immerhin von finanzieller und organisatorischer  Tragweite sei, nicht einfach mal über ihren Kopf treffen könnte.
Den giftigen Blick von Frau und Herrn "Wichtig" werde ich im Leben nicht vergessen, genauso wenig wie den dankbaren von Frau Z.

Der Fall "Wasserkasten" ist mir deshalb so im Gedächtnis geblieben, weil er mir das erste Mal bewusst die Funktionsweise und fatale Eigendynamik solcher im Prinzip so irrelevanter wie gegenstandsloser, dafür aber Zeit fressenden Problemstellungen vor Augen geführt hat.

Heute weiß ich jedoch, dass ich die Sache völlig falsch angegangen bin. Es gibt nämlich in solche Fällen ein Generalrezept, dass einen auch davor bewahrt, sich die lebenslange Feindschaft von Seiten der "Aufbausch-Fraktion" zu zuziehen.

Heute, gestärkt durch unendlich viele ähnliche Vorfälle, weiß ich, dass der einfachste Weg, solchen Themen und deren Urheber das Wasser abzugraben und somit die Diskussion zu retten, darin besteht, sofort (!), beim ersten Aufflammen solcher Pseudo-Inhalte, den Vorschlag zu unterbreiten, dazu gleich eine Arbeitsgemeinschaft zu gründen. Und wer böte sich für die Leitung einer solchen AG eher an, als der- oder diejenige, welche(r) das Thema angesprochen hätte?

Der Vorteil liegt auf der Hand:
Man gewinnt Zeit und Energie für die wirklich relevanten Aufgaben, wer sich tatsächlich mit solchen Marginalien beschäftigen möchte, kann das, im kleinen Kreis, zu einem anderen Zeitpunkt und einem anderen Ort, gerne tun und dann "Bericht erstatten" und zu guter Letzt, dem Menschentypus, der sich gerne über das Anzetteln solcher Angelegenheiten profilieren und in den Fokus der Aufmerksamkeit spielen will, gibt man, wonach er so sehnlich trachtet und lässt ihn doch geschickt ins Leere laufen!

Erfahrungsgemäß sterben solche AG dann auch so plötzlich, wie sie ins Leben gerufen wurden.
Denn, und das ist fast allen dieser Debatten um Pseudo-Probleme gemein, außer den Initiatoren interessiert sich im Grunde niemand wahrhaftig für deren Inhalt. Viele werden einfach nur mitgerissen und geraten dann in eine Art "Trance", in der sie dann fast willenlos agieren und reagieren bis jemand im übertragenen Sinne mit dem Finger schnippt und so den Bann bricht.
Da aber eben diese Leute, wenn sie erst einmal wieder bei klarem Verstand sind,  kaum ernsthaft in Erwägung ziehen, für solch einen Bullshit ihre Freizeit zu opfern, trifft die "Geheimwaffe Arbeitsgemeinschaft" auch nur diejenigen, die es treffen soll und die es wirklich verdient haben... *muharharhar*

Sonntag, 24. April 2011

Alles auf Null!

"'Sage uns, wie unser Ende sein wird.'
'Habt ihr den schon den Anfang entdeckt, dass ihr nach dem Ende fragt? Denn dort, wo der Anfang ist, dort wird auch das Ende sein.Selig ist, wer am Anfang stehen wird, und er wird das Ende erkennen und den Tod nicht kosten.'"

(Thomas 18)

Nicht der Magier erringt den Höchsten Preis, nicht der Hohepriester oder der Herrscher, weder der Ritter in strahlender Rüstung, noch die mächtigste Königin, noch der sich von der Welt abgewandte Eremit mit seinen Büchern, nicht der sich alles versagt, noch, welcher sich allen irdischen Genüssen hingibt und selbst die, welche sich  für das hehre Ziel bis auf's Blut kasteien und selbst zu opfern bereit sind, werden leer ausgehen.

Alles was sie von ganzem Herzen begehren, fällt am Ende dem reinen Tor, dem Narren, in den Schoß, der selbst nie danach trachtete.

Er ist der Ahnungslose, das arglose Kind, das leere Gefäß, das unbeschriebene Blatt, in eine Welt geworfen, deren Spielregeln im völlig fremd sind. Hintergedanken, Doppeldeutigkeiten oder Täuschung sind ihm fremd.  Er kennt weder Lüge, noch Reue, noch Scham, noch Moral, noch Zwänge. 
Da er nichts erwartet, nach nichts strebt, ist er es, dem zuletzt die Höchste Ehre zuteil wird.

"Wenn ihr eure Scham abgelegt und eure Kleider nehmt, sie unter eure Füße legt und wie die kleinen Kinder sie zertretet, dann werdet ihr den Sohn des Lebendigen sehen und ihr werdet euch nicht fürchten."
(Thomas 37)