"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Dienstag, 29. März 2011

Mein Thelema

"Wer uns Thelemiten nennt, geht nicht fehl darin, so er sich das Wort nur genau betrachtet."

Tu was du willst, soll sein das Ganze des Gesetzes.

Eine kleine FB-Diskussion, die sich um Sinn und Qualität des Trash-Films "Crowley (My Chemical Wedding)" von Bruce Dickinson (der in Deutschland unter dem Titel "Crowley - Back out Hell" vertrieben wird) und die Wirkung, die dieser "Spass-Film" auf das Bild vom Current93  für den von der Thematik völlig Unbedarfte haben könnte, entspann, brachte mich dazu, einmal über mein Thelema nachzudenken.

Nur noch kurz zu dem Film: Ich persönlich finde den schreiend komisch und bin überzeugt, Uncle Al hätte sich königlich darüber amüsiert. Gerade, weil er so ziemlich jedes dämliche Klischee aufgreift, was so im Allgemeinen über To Mega Therion oder "The Wickedest Man in the World" und das, was er durch die Niederschrift des Liber Al vel Legis initiierte, in Umlauf ist. Daneben ist dieses Movie auch noch gespickt mit versteckten Andeutungen und Insidern.

Und da liegt auch eben das Problem und wohl die Hauptursache dafür, dass Dickinsons "Machwerk" auch unter Thelemiten sehr kontrovers aufgenommen wurde. Die einen finden ihn eben klasse, wohingegen die anderen entsetzt und verärgert reagieren.

Und dies kann ich durchaus verstehen. Wer sich nie eingehender mit der Philosophie von Thelema und der daraus resultierenden Verantwortungsethik auseinandergesetzt  hat, mag beim Anschauen seine Vorurteile und ärgsten Befürchtungen bestätigt sehen. Kaum anzunehmen, dass er sich dadurch annimiert fühlt, sich tiefergehend mit Crowley und Thelema auseinander zu setzen. Er wird sich vielmehr angewidert abwenden.

Und das ist eben der Punkt, der kritisiert wird.


Man kann eben durch diesen Film auch die Vorurteile, die Person Aleister Crowleys betreffend, welche in der breiten Öffentlichkeit vorhanden sind und sich immer auf die Schlagworte "Schwarzmagier", "Drogenabhängiger" und "Pervers" reduzieren, bestätigt sehen.
Lässt sich ersteres noch leicht entkräften, da er selbst mehrfach Schwarze Magie als absoluten Bullshit bezeichnete, so ist es mit den beiden anderen Punkten ohne Kenntnis des Historischen Kontextes etwas schwieriger.
Ich weiß ja nicht, was Crowley so in seinem Leben konsumierte und es interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht, aber betreffs der Heroinsucht sollte man schon wissen, dass diese Droge bis in die vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts eine anerkannte Schmerz- und Hustenarznei der Firma Bayer war und ähnliche synthetische analgetische Opioide - mit der gleichen abhängig machenden Wirkung! - bis heute Verwendung in der Medizin finden.
Tja und die Perversion des Edward Alexander Crowleys bestand schlicht in seiner offen gelebten Bisexualität (mit einem gewissen Hang zu Sado-Masochistischen Praktiken) zu einer Zeit, da man für "Sodomie", einem alten Begriff für männliche Homosexualität, welcher durch Übersetzung und Bedeutungswandel leicht misszuverstehen ist, noch mit Zuchthaus bestraft wurde und dem Konzept der Freien Liebe, offenen Beziehungen oder wechselnden Geschlechtspartnern, die erst Jahrzehnte nach seinem Tod halbwegs salonfähig wurde. Noch heute soll es ja Leute geben, die jede Variation von Sex und Liebe außerhalb ihrer persönlichen Norm als "pervers" empfinden. 
Aus dem gleichen Betrachtungswinkel ist übrigens auch der "Vorwurf" der Kindopferung zu verstehen. Es ist ein Synonym für Masturbation. Zu der Zeit und in dem Umfeld in dem Crowley aufwuchs und lebte, war es noch gang und gäbe, Jugendlichen mit Horrorgeschichten über Rückenmarksschwund und Hirnerweichung Angst vor solch "verwerflichen Handlungen" zu machen oder ihnen bei Uneinsichtigkeit, des Nachts die Hände ans Bett zu fesseln oder Keuschheitsgürtel anzulegen.
Das ist abartig, nicht aber die so verurteilten Handlungen!
Man kann aber auch auf vielfältige andere Art ein "Kind" opfern.
Das also zum Thema "Wickedest Man"...

Mittlerweile denke sogar, der Film funktioniert gerade eben in Deutschland nicht so, wie beispielsweise in Großbritannien - Dickinson ist ja Brite - weil die Mentalität und auch die Art Humor hier bei uns in Deutschland eine ganz andere ist, als eben "drüben".

Aber um einmal weg zu kommen von "Chemical Wedding" und hin zu dem was ich eigentlich sagen will:

Ich mache auch gern meine "Witzchen" über mein Thelema - also meine Lebensphilosophie und meinen Glauben, der sich, nach eingehender Selbstanalyse, am ehesten mit "Animistisch-Gnostischer-Mono-Poly-Pantheistisch-Atheistischer-Thelemit-in-Anlehnung-an-Zen-und-Tao" beschreiben ließe - besonders, wenn ich an "guten Tagen" mal wieder mit dem Stumpfsinn und der Ignoranz einiger Mitmenschen konfrontiert werde. Das heißt, ich spiele dann auch gern mal mit den gängigen Klischees, um sie ad absurdum zu führen. Pöse sexsüchtige Satanistin, die ständig auf der Suche nach Jungfrauen und Haustieren zwecks Opferung ist.
"Ironie ist die Rache des menschlichen Geistes an der uneinsichtigen Gesellschaft."
Helmar Nahr
Ein Satz, den Aleister Crowley wohl aus tiefstem Herzen zugestimmt hätte.

Ohne Scherz, wenn man sich einmal auf den Seiten der kirchlichen oder selbsternannten Sektenbeauftragten umsieht, dann denkt man sich eben auch als Thelemit seinen Teil. Als Beispiel sei hier nur einmal die Aufstellung der Ritualzeiten von "Freund" Stolzenberger, über dessen Aufklärungsgruppe "Krokodil" ich vor Jahren hier schon ausführlich berichtete, genannt.
Was wie Satire anmutet, ist leider ernst gemeint und auch wenn hier die Thelemiten im Gegensatz zu all den anderen paganen Gruppierungen, welche angeführte Feiertage begehen, noch verhältnismäßig gut wegkommen, dann strotzt das ganze Machwerk nur vor absolut abstrusen Fehlern und Vorurteilen. Wenn man sich dann noch die Quellenangaben ansieht, wird man feststellen, dass der Autor die Hälfte der angebenen Bücher wohl weniger gelesen, vielmehr lediglich nach für ihn relevanten Daten durchforstet hat. (Wie Stolzenheimer mit Quellen umgeht, habe ich ja ebenfalls bereits hinreichend analysiert.)

In einer anderen Abhandlung, wo sich selbiger zu einem der unüberschaubar vielen thelemitischen Orden, hier dem mir nicht näher bekannten „Sanctus Societas Thelema“ äußert, identifiziert er z.B. das Ordensemblem als Zitat:
"Das Vereinssymbol besteht aus einer Art senkrecht stehenden Dorn von dem beidseitig Flügel abgehen. Am Dorn rekeln sich zwei Schlangen nach oben."
Für einen durchschnittlich gebildeten Menschen ist das ein Merkur- bzw. Hermesstab...

Solche und ähnlich Aussagen findet man zu Hauf in sogenannten "Aufklärungsbroschüren", "Fachbüchern" oder Abhandlungen zum Thema. Voreingenommen deshalb, weil die Autoren sich selten die Mühe machen, tiefer in die Materie, sei es nun explizit Thelema oder auch nur jede andere Art von Philosophie oder Denkweise, die der eigenen oder als allgemein üblich definierten, zu wider läuft. Voreingenommen auch, weil das Ziel solcher Werke häufig darin liegt, andere von diesem für falsch befundenen Weg abzuhalten, sie der eigenen "Leitkultur", wozu eben auch eine bestimmte Art von Wertvorstellung, Weltsicht, Glauben und Denken gehört, zu erhalten. Vorher wurde bestimmt, was für jeden als gut und richtig zu gelten hat. Jede Art von Abweichung wird als schädlich, ja, zerstörerisch abgelehnt. Deshalb befasst man sich dann auch nicht damit, oder sieht sie eben immer nur unter dem Aspekt, der eigenen Überzeugung. Die kritisierten Punkte zu hinterfragen erübrigt sich also von vornherein, man schreckt vielleicht auch davor zurück, weil es möglicherweise dazu führen könnte, dass das eigene Weltbild in Wanken geriete und die Grenzen  des als sicher geltenden Kosmos aufweichen könnte.


Mit der Realität hat das alles also nichts zu tun. Und weil es mir einfach zu anstrengend ist, mich ständig über die Konfrontation mit dem kursierenden Halbwissen und  immer gleichen hanebüchenen Vorurteilen aufzuregen oder es bisweilen müde bin, sie richtig zu stellen und mir dabei vor zu kommen wie eine springende Schallplatte, lache ich lieber darüber. Wenn mir nicht manchmal das Lachen im Halse steckenbleiben würde.

Dabei meine ich es mit der, im Liber AL beschriebenen  Ethik und dem damit einhergehenden Wertekanon, jedoch  toternst. Ich betrachte "Das Gesetz" für mich als bindend und das Liber OZ, welches im Prinzip nichts anderes darstellt, als eine kurze Zusammenfassung dieser Werte, stellt den Codex dar, nach dem ich lebe. Und das ist wirklich harte Arbeit, besonders an mir selbst.

Denn obschon ich denke, würden sich eben alle allein an das halten, was Aleister Crowley im LIBER LXXVII auf den Punkt brachte, wir alle endlich in dauerhaftem Frieden und Freiheit leben würden, so ist aber gleich die Formel "Do what thou wilt shall be the whole of the Law."-"Love is the law, love under will.", der Knüppel, den ich mir selbst, durchaus aus eigenem Willen , bei der Durchsetzung dieser Idee zwischen die Beine werfe und gleichzeitig auch für mich der Prüfstein für den Grad meiner persönlichen Entwicklung oder meines Versagens.

Ich kann schlicht nicht anderen vorschreiben, wie sie zu leben und sich zu verhalten haben, solange sie mir damit nicht zu nahe treten, wenn ich das Gesetz ernst nehme. Ich darf niemandem von seinem Weg abhalten, auch wenn ich zu wissen glaube, dass er in die Irre führt. Punkt.

Das Einzige, was ich tun kann, ist meine Sichtweise anhand von Argumenten darzulegen und gegebenenfalls zu erläutern und hoffen, das sie daraus etwas für sich mitnehmen, so wie ich aus der Diskussion oder dem Disput etwas für mich mitnehme.

In erster Linie aber muss ich den Gesprächspartner als Individuum zuerst einmal achten und respektieren, wenn ich es denn mit meinem Thelema ernst meine. Und das ist nicht immer so leicht. Manchmal möchte ich einigen ganz spezielle Diskussionspartner einfach nur das Buch des Gesetzes über den Schädel hauen, anstatt es ihnen, wie eben dort beschrieben, "jedem Mann und jeder Frau, die ich treffe, sei es auch nur, um mit ihnen zu essen oder zu trinken, das Gesetz zu geben."


Bevor hier aber jetzt dadurch der Eindruck entsteht, ich oder irgendein beliebiger Thelemit würde, wie z.B. die Zeugen Jehovas mit ihrem Wachturm oder gar die Gideons das Neue Testament, das Liber Al an Leute verteilen oder gar missionierend durch die Lande ziehen, auch das ist nur im übertragenen Sinn zu verstehen. Nach meinem Verständnis verhält es sich eben so, dass man Thelema lebt und eben bei Bedarf Missverständnisse aufklärt. Ich "gebe" meinen Mitmenschen das Gesetz auch dadurch, dass ich es im Zusammenleben mit ihnen anwende!  (siehe hierzu die Quelle AL III, 39 "...and to each man and woman that thou meetest, were it but to dine or to drink at them, it is the Law to give. Then they shall chance to abide in this bliss or no; it is no odds.") Wer das Liber Al also haben will, muss sich schon selber bemühen. Die Bedeutung der Worte muss dann jeder sowieso für sich entschlüsseln. Auch hier wird man keiner allgemein gültige Definition unterworfen.
Mission ist also für einen Thelemiten ein absolutes Tabu, da er damit in den freien Willen anderer eingreifen würde.

Bei sehr extremen Fällen, besonders, wenn mir jemand mit unqualifizierten Rumgemäkel auf den Nerven rumtrampelt, oder durch sein übergriffiges Verhalten deutlich zu verstehen gibt, dass es ihm am nötigen Respekt seinen Mitmenschen gegenüber mangelt, kann ich allerdings auch schon mal kommentarlos das Liber OZ zur Kenntnisnahme rüber reichen. Fällt dann immer noch nicht der Groschen, dann kann ich Punkt 5 - "Der Mensch hat das Recht, jene zu töten, die ihm diese Rechte streitig machen wollen." - anwenden, in dem ich auf dem Absatz kehrt mache und diesen Menschen aus meinem "Kosmos" entferne. Man muss also keine Gewalt anwenden, um jemanden im thelemitischen Sinn zu töten.
 
Das alles und noch vielmehr, ist mir auch nicht zugeflogen. Obwohl ich sagen muss, dass der Einstieg für mich eigentlich ziemlich leicht war. Damals, es scheint Jahrzehnte her zu sein, auch, wenn es nur ein paar Jahre sind, traf ich auf einem längst vergangenen Heidenforum auf eine dort agierenden Moderator mit komischen Zahlen im Nick, welcher bei Bedarf viel und gern von Crowley und einer Philosophie namens Thelema erzählte.
Zu diesem Zeitpunkt beschränkte sich mein Wissen über Uncle Al eben darauf, dass er ein Okkultist und Magier war. Eingedenk der Tatsache, dass der Okkultismus eben Ende des 19. Anfang des 20. Jahrhunderts eine gewisse Modeerscheinung darstellte, nahm ich das eben auch nicht so ernst. Zwar hatte ich noch in der Vor-Internetzeit einige Kurzbiografien über seine Person  in verschiedenen Büchern aus und über diese Zeit gelesen, aber das war's dann auch und reichte mir auch, ehrlich gesagt.
Mein Weg war eher geprägt durch die Auseinandersetzung mit Philosophie, dem Buddhismus und dem Befassen mit sowohl den Indianern Nordamerikas, als auch den keltischen Stämmen. Allerdings war ich nie abgeneigt, meinen geistigen Horizont zu erweitern.

Wäre besagter User und Mod nun ein kompletter Idiot gewesen, hätte die Geschichte wahrscheinlich einen anderen Verlauf genommen, aber was er zu den verschiednensten Themen schrieb und wie er rüberkam, war mir durchaus sympathisch.   Zumal mir die Schlüsselsätze "Do what thou wilt shall be the whole of the Law." —AL. I. 40 - "Love is the law, love under will." —AL. I. 57  durchaus auf Anhieb etwas sagten - dem ollen Kant sei's gedankt.


Thelema sagte mir jedoch nichts, auch wenn da bei mir irgendetwas wenig schmeichelhaftes im Hinterkopf war. Meine Recherche brachte mich dann auch gleich auf die Affäre um Michael D. Eschner und eben diverse Seiten von kirchlichen Sektenbeauftragten.
Jetzt war ich nie der Typ, der alles unbesehen glaubt, was so geschrieben steht und immer schon recht gut Quellen einzuschätzen verstand. Außerdem kriegte ich das Bild, welches sich mir da bot nicht zusammen mit dem, was eben besagter User so von sich gab. Da passte was nicht.

Und dann kam der Tag, als er eben einmal mehr auf Anfrage das Liber OZ im Forum postete. Und von da ab war mir sonnenklar, dass es genau das war, was auch immer schon meine Auffassung gewesen war: Jeder soll nach seiner Farçon seelig werden, solange er die Konsequenzen seiner Handlungen überblicken kann, die Verantwortung übernimmt und jedem anderen dieselben Rechte einräumt! He, ich hatte auch Castaneda gelesen! Auch war mir der Begriff des "Wahren Willens" nicht ganz unbekannt, wenn ich den Sinn dahinter noch nicht klar zu definieren in der Lage war. Der Knoten platzte erst viel später - und die Lösung war für mich so einfach, dass ich mich in den Hintern beißen könnte, dass ich dies nicht sofort erkannt habe.
(Und nebenbei mein persönlicher Treppenwitz, den ich aber in dem noch ausstehenden letzten Akt der "Tötungsdelikte" aufzulösen gedenke!)

Ich begann mich also mit Thelema auseinanderzusetzen, las sehr viel zu dem Thema von Crowley und auch anderen Autoren. Und je tiefer ich in die Materie einstieg, um so sicherer war ich mir, dass ich daraus etwas nützliches für meine persönliche Entwicklung daraus ziehen könnte.
Ich hatte dabei nie die Absicht, Thelemit zu werden!
Allerdings lernte ich eben dabei auch eine andere Seite von Aleister Crowley kennen. Die des Philosophen und tiefsinnigen Menschen, nicht ohne die Art von Humor, die auch mir persönlich sehr lag.
Nur das Liber Al vel Legis! Damit hatte ich so meine Probleme. Ich verstand einfach den Sinn dahinter nicht, auch wenn ich wusste, dass die drei "Götter" Nuit, Hadit und RaHoorKhuit auch Sinnbilder der Menschlichen Psyche darstellten und mir der Hermetische Aspekt durchaus aufging. Fragen wollte ich nicht, denn wie es so schön im Kommentar heißt "Alle Fragen hinsichtlich des Gesetzes sind nur durch Konsultieren meiner Schriften zu lösen, jedermann einzeln für sich selbst."
Der Sinn dahinter, unabhängig von jeder fremden Beeinflussung selbst herauszubekommen, was mir "das Gesetz" sagt, war mir durch meinen Zen-Backround durchaus bewusst. Ja, und dann kam der denkwürdige Tag, als ich im Zustand zwischen Schlafen und Wachen noch etwas darin las, und plötzlich hatte ich es! (ich weiß, ich wiederhole mich hier bereits zum x-ten Male)

Trotzdem hat es noch lange gebraucht, bis ich für mich entschied, mich Thelemit zu nennen.

Ich bin nicht schnell dabei, mir ein beliebiges Etikett um den Hals zu hängen, nur weil ich den "Inhalt" für mich entdeckt habe. Einem Konzept zu folgen ist für mich nicht gleichbedeutend damit, sich seiner zur Selbstdefinition zu bedienen. Einem Glauben oder einer Philosophie anzuhängen, hat für mich nichts mit sklavischer, hündischen Unterwerfung um jeden Preis zu tun. Selbst als ich es noch "mit dem Christentum versuchte", war mir genau diese Tendenz vieler Christen zu wider.
YHVH hat mich in seinem Bilde erschaffen - je nach Auslegung also entweder genau nach seiner Vorstellung oder als dessen Abbild, was für mich einer Gleichsetzung entspricht - er wollte mich (und jeden anderen) genauso, wie wir sind, mit allen Attributen und  Konsequenzen. Und das bedeutet für mich eben in erster Linie, dass es bei mir liegt, was, wie und auf welche Art ich glaube. So war - und ist - der Gott der Genesis für mich eben nicht gleichbedeutend mit dem, späteren zornigen, eifersüchtigen "Wüstengott". Meines Erachtens erfährt er diesen Bedeutungswandel, diese Transformation, erst nach dem "Sündenfall", also nachdem YHVH den Menschen in die Selbstverantwortung entlassen hat und er dann seinerseits begann, sich ein "Bild" von seinem Gott zu machen.
„Wir sind, was wir denken. Alles, was wir sind, entsteht aus unseren Gedanken. Mit unseren Gedanken formen wir die Welt.“
Siddhartha Gautama
Der Geist schafft sich seine Realität und eben auch seine Götter.

(Ja, der gute Pfarrer Wetzel, der mich durch Katchumen- und Konfirmanden-Unterricht begleiten durfte und mich am Ende doch, wohl aus Notwehr, konformierte, hatte seine "helle Freude" an mir und ich an ihm. *fg*)

Übrigens ist ein weiteres dummes Vorurteil, das Thelema anti-christlich sei, welches meistens nur belegt, dass sich Vertreter dieser These nicht genug mit der Materie befasst haben. Es ist auch nicht anti-jüdisch oder anti-muslimisch. Ohnehin findet man so gut wie gar keine irgendwie geartete Anti-Haltung in der ganzen Philosophie. Ähnlich wie der Buddhismus wendet sie sich nicht gegen andere Religionen, Philosophien und Glaubenskonzepten, sondern akzeptiert sie durchaus. Als falsch oder besser schädlich, wird in Thelema wie auch im Buddhismus lediglich ein Konzept verstanden, dass sich gegen den freien Willen des Menschen wendet und Anspruch auf Allgemeingültigkeit und absolute Wahrheit erhebt.
"Alle Worte sind heilig und alle Propheten wahr; ausgenommen nur, daß sie ein wenig verstehen;" AL I, 56
So war eben auch Crowley selbst kein Christenhasser, sondern er prangerte an, was die Institution "Kirche" dem Menschen antat und zu was Menschen im Namen ihrer Religion zu tun fähig sind.
Überhaupt kann man in Thelema sehr viele Bezüge zu den unterschiedlichsten Religionen und Weltanschauungen finden. Es ist stark synkretisch geprägt und stellt somit eine Metaphilosophie bzw. Metareligion dar.

Das heißt nicht, dass man sich bloß die Rosinen heraus pickt, sich eine Patchwork-Religion erstellt, die einem genehm ist. Genauso wenig, wie Christentum und Judentum oder jede andere Religon bei vorangegangenen Glaubenskonzepten abgekupfert oder gar "gestohlen" haben. Alles hat immer einen Ursprung in dem was vorher war, entwickelt sich daraus und/oder übernimmt im Laufe seiner Entwicklung Vorstellungen und Einflüsse aus anderen Weltanschauungen mit denen es in Berührung kommt, auch von jenen, deren Zeit schlicht abgelaufen zu sein scheint. Zu glauben, dass eine Religion, Weltanschauung oder Philosophie immer währende Gültigkeit hätte und sich nicht verändern darf, ist einfach...irrig. Was Bestand hat, ist wert, es zu übernehmen, weiterzuentwickeln und an neue Zeiten anzupassen. Alte Zöpfe aber müssen abgeschnitten und eben nicht konserviert werden.

Mein Thelema kennt keinen Tellerrand. Der obigen Devise folgend und eingedenk einer anderen, nämlich  "das Wort der Sünde ist Beschränkung", ist die literarische und geistige Auseinandersetzung nicht auf thelemische Werke beschränkt, sondern ich kann durchaus den Talmut und die Bibel studieren, die Veden, den Koran, den Palikanon, Schopenhauer, Kant und Nietzsche bis hin zur modernen Psychologie und Wissenschaft und daraus Nutzen ziehen, ohne dabei in Flammen aufzugehen. Alles ist erlaubt, wenn es nur dem Streben nach Wissen und Erkenntnis dient. Und ich bin damit beileibe nicht allein.
Viele Thelemiten, welche ich näher kenne, sind sehr bibliophil, ohne dabei das Gefühl, das Leben zu leben, zu vernachlässigen.
Wer sich für die Philosophie Thelema interessiert, sollte ohnehin eine Vorliebe für das Lesen haben und über zumindest mittelprächtige Englischkenntnisse verfügen. Viele Standartwerke sind eben nicht in deutscher Übersetzung zu bekommen.

Gut, irgendwann kam ich dann in meiner persönlichen Entwicklung an den Punkt, an dem aus  "thelemitisch inspiriert" Thelemit ohne wenn und aber - und ohne "weil" - wurde. 
Das war aber beileibe nicht das Ende der Geschichte, sondern erst der Anfang.

So nebenbei und davon unabhängig hatte ich zwischenzeitlich begonnen, mich ernsthaft mit Magick zu befassen. Auch hier: Ich wusste, wie ich "Magie wirken" für mich persönlich definierte, sehr pragmatisch, in zufällig überraschender Übereinstimmung zur Hermetik und instinktiv.
Noch heute, hat Magick für mich zu 99% mit moderner Psychologie zu tun.
Manchem, der sich ebenfalls damit ernsthaft beschäftigt, werden die Haare zu Berge stehen, wenn ich gestehe, dass ich auch hier, wie in vielem, nicht dem angeblich so vorgegebenem Weg folgte, sondern in der Tat "mit der leeren Hand" begann. Der ganze "Ritual-Kram" war mir einfach zu umständlich und auch unnötiger Ballast. Auch heute mache ich meist einfach aus dem Bauch heraus, anstatt erst großartig zu überlegen und zu planen und mir damit die Intuition zu vermasseln. Je mehr ich nachdenke, desto mehr Fehler schleichen sich ein, weil mir meine eigene Erwartungshaltung und mein eigener Anspruch an mich selbst die "Nummer" versauen.

Es ist so, dass meine intuitive, gefühlsmäßige Auffassungsgabe und meine rationales Bewusstsein  parallel und scheinbar völlig unabhängig von einander existieren können. Ich kann etwas wissen und gelesen haben, aber wenn ich mich meiner Intuition öffne, oder ihr die Herrschaft überlasse, wie bei Ritualen oder Initiationen,  dann mache ich zwar alles gefühlsmäßig richtig, aber ich weiß nicht, woher dieses Wissen kommt. Fragt mich in dem Zustand dann jemand etwas, z. B., worin da der Bezug besteht, oder wird sonst eine verstandesmäßige Leistung von mir verlangt,  und ich switche nicht sofort vom intuitiven, stark sensorisch geprägten in Normal-Betrieb, schalte also quasi die linke Gehirnhälfte wieder zu,  dann gucke ich wie ein Auto. Es fehlte nur noch, dass ich den Gegenüber fragte, wer er überhaupt sei? Ja, ich bin manchmal recht unterhaltsam für meine Mitmenschen.

"Magick is the Science and Art of causing Change to occur in conformity with Will."

Als ich mich im Rahmen meiner Beschäftigung mit Thelema und aus meinem Willen, es dann doch mal mit Ritualmagick zu versuchen, auch Crowleys "Magick in Theory and Practice" zu lesen begann, erstaunte mich die Übereinstimmung mit meiner Auffassung über Magie und seiner Definition, die er im einführenden Kapitel "Introduction and Theorems" darlegte.
Auch hier war nicht ich es, der sich anpassen musste, sondern der Schuh passte, als wäre er für mich gemacht.
Übrigens sagt die kurze Einleitung in der Aleister Crowley einen kleinen Einblick über seine Motivation gibt, die dem Verfassen dieses Buches zu Grunde lag, mehr über Edward Alexander Crowley, "The Great Beast", aus, als so manche ellenlange Biografie. Man muss es nur verstehen wollen.

Mittlerweile arbeite ich sowohl ritual-magisch (und liebe es!) als auch immer noch mit der "Leeren Hand", neben der ganz alltäglichen, die jeder nutzt, ob er nun weiß oder nicht. Auch jetzt gerade, während ich dies schreibe.

Zu dem Zeitpunkt war für mich "die Suche" beendet. Ich hatte "mein Ding" gefunden.
Aber das war eben nur ein Anfang! Irgendwann kommt man, auch bei der Arbeit an sich selbst, an einen Punkt, wo man merkt, dass man ohne Inspiration und Input von außen nicht weiterkommt.
Was also noch fehlte, war der Austausch mit Gleichgesinnten. Es war ja nicht so, als hockte ich einsam und allein in meiner Bude und hätte keine Sozialkontakte. Auch war da ein sehr großer, mehr oder weniger heidnischer Bekanntenkreis, nicht zuletzt über das Internet, mit dem man fachsimpeln und diskutieren konnte. Einige dieser Menschen sind mir mittlerweile sehr ans Herz gewachsen, aber leider ist es die oft enorme räumliche Trennung, die ein persönliches Treffen zumindest sehr erschwert.
Hinzu kam, dass ich über einen sehr merkwürdigen Zufall und in einem speziellen Kontext, die Bekanntschaft mit einer Gruppe germanisch orientierter Heiden (+ einem pantheistisch Quoten-Moslem, wie ich hier ausdrücklich schreiben muss, sonst fühlt er sich wieder unterschlagen und dann gibt es wieder "mecker";)).  Da sich deren Internet-Aktivität aber auf ein Minimum reduzierte und die Art der Zusammenarbeit, die uns zusammen führte, sich auch über dieses Medium nur schwer umsetzen ließ, traf ich mich dann relativ regelmäßig mit ihnen, man freundete sich an und irgendwann kam dann auch die erste Einladung zu einem gemeinsamen Blót. Nun fehlt mir zum germanischen Heidentum irgendwie der rechte Zugang, auch wenn ich es respektiere, aber die Leute waren nett, also why not?
Mal abgesehen davon, dass da sich da wirklich ganze Familien zusammen fanden und das ganze eher an ein BBQ erinnerte als an eine religiöse Veranstaltung, fühlte ich mich sofort wohl. Kinder liefen herum und den Erwachsenen zwischen die Beine, es wurde gesungen und getrommt, geredet, diskutiert und blöde Witze gerissen.
Als es dann aber losging, da waren die Anwesenden wie umgewandelt. Sofort war da eine ganz andere, andächtige, sehr auf die Handlung konzentrierte Energie. Und als der Ritualleiter/Priester zusammen mit dem "Skalden" den Runenkreis sang und das Hammerritual vollzog, da wurden mir gewisse Parallelen bewusst. Schutzkreis und Pentagrammritual! Kenne ich, kann ich was mit anfangen!
Dazu muss ich anführen, dass diese Gruppe Menschen ihre Rituale und Lieder alle selbst erarbeitet. Sie sind inspiriert vom germanischen Glauben und ernst gemeint, aber allen ist klar, dass sie "neu" und keineswegs authentisch sind. Und der Priester/Rtualmeister ist da zwar treibende Kraft und einer der "Hauptverantwortlichen" bei der Kreation, Umsetzung und Ausführung, aber das nicht, weil er der Obermotz wäre, sondern weil das sein "Ding" ist, er es mit Hingabe macht und die Gruppe ihn deshalb dazu auserkoren hat.
Lange Rede kurzer Sinn, es war toll! Nun bin ich aber kein Asatru, aber es bestärkte mich in meinem Vorsatz, mir auch im Rahmen meines thelemitischen Weges etwas ähnliches zu suchen.

Es fühlte sich zu diesem Zeitpunkt genau richtig für mich an und wenn ich auch sonst weniger der Gruppen- oder Vereinsmensch bin, so war ich sicher, dass ich eben in Hinblick auf die Philosophie von Thelema nicht Gefahr lief, mich verbiegen oder irgendwie in eine Schablone pressen zu lassen.
Tja, aber wo findet man nun eine solche Gruppe, die nebenher eben auch noch den für mich sehr wichtigen Aspekt der Ritualmagick abdeckte?
Denn und das ist sehr wichtig, Thelema funktioniert eben auch ohne diese "Beigabe" ganz hervorragend.
Die Antwort war für mich eigentlich sehr schnell beantwortet: In einem Orden!
Für mich war, auch, wenn es da unüberschaubar viele gibt, eigentlich sofort klar, dass es der O.T.O. sein würde, allein, weil es im Prinzip, neben der Fraternitas Saturni und dem Astrum Argentum, der bekannteste ist, sie eine ordentliche Webseite haben und somit auch Zugriff auf anständige Kontaktadressen.

Die Saturni schienen mir zu trocken, der A.A. ist irgendwie verschütt gegangen und nicht greifbar und ich bin zwar echt nicht der Mensch, der nie den Hintern hoch kriegt und immer auf Sicherheit spielt, aber auf irgendwelchen nebulösen, auf eine nicht aussagekräftige Seite beschränkten, Websites auf Kontakte klicken, um "weiß der Himmel, wem" eine Anfrage zu "was auch immer" zuzusenden, ist echt nicht, was ich mir so unter Kontaktaufnahme vorstelle.
Katze im Sack kaufen? Ne, danke, ist nicht mein Fall.


Der die Körperschaften des Ordo Templi Orientis aber bietet im Rahmen seines religiösen Bestandteils, der "Ecclesia Gnostica Catholica" (E.G.C.) und dem damit verbundenen Zelebrieren der Gnostischen Messe (Liber XV) die Möglichkeit, als Gast einfach mal rein zu schnuppern und die Leute kennenzulernen.
Außerdem ist er freimaurerisch organisiert, was mir durchaus entgegen kam.

Das klingt jetzt alles ziemlich glatt. Tatsächlich umkreiste ich das Vorhaben ewig und drei Tage, wie ein Bussard. Soll ich, soll ich nicht, oder doch?
Bis mir dieses Rumgeeiere selbst irgendwie tierisch auf den Zeiger ging und ich mir sagte, dass ich ja nichts zu verlieren hatte und wenn es sich als ein Schuss in den Ofen erwies, immerhin Erfahrung gewonnen hätte. 

Zumindest kannte ich jemanden, der schon im O.T.O. war und für die nächste Oase auch als Sekretär arbeitete.
Trotzdem ging ich den offiziellen Weg über die offizielle Mailadresse.
Das war für mich sehr wichtig, da so eine einschneidende und bedeutsame Entscheidung auch einer gewissen Form bedarf.
Ein "Hallo, hör ma' ich wollte da ma' so als Gast und so, kannst'e ma'?" fand ich da eher weniger dem Anlass entsprechend.
Damit ging das Problem aber erst richtig los. Wie schreibt man so eine Anfrage, damit auch klar ist, das man es ernst mit dem Anliegen meint und nicht nur mal so als "Voyeur" zum gucken vorbei kommen möchte?
Erster Entwurf: Zu steif, also löschen! Zweiter Entwurf: Zu flapsig, wieder gelöscht! Dritter Versuch: Ääähh, auch irgendwie merkwürdig, weg damit!
Ein Hoch auf die modernen Kommunikationsmittel! Hätte ich das althergebracht zu Papier bringen müssen, ich wäre an zusammengeknülltem Papier erstickt!
So ging das tagelang, was sage ich, Wochen!
Ich war schon fast der Überzeugung, dass es eben nicht mein Wahrer Wille sein sollte.
Dann wurde es etwas "schräg", aber nur, wenn man von Psychologie keine Ahnung hat. Ich hatte in der Nacht einen sehr aussagekräftigen Traum, an dessen Ende ich ein inniges Gefühl des "am Ziel sein" oder "Heimkommens" hatte in Verbindung mit einer gewissen Schlange.

Am Tag darauf, oder an einem der folgenden, so genau weiß ich das nicht mehr, schrieb ich mal wieder einen neuen Entwurf zur Anfrage an die Oase, und wollte den eigentlich auch wieder werfen, hatte den Cursur schon auf dem Löschbutton, aber dann dachte ich, scheiß drauf und sendete ihn einfach ab. Antwort erhielt ich fast postwendend von besagtem Secretarius, der sich wohl total freute. Schnell auf ICQ gegangen, etwas gequatscht und dann zeigte er mir ein paar Fotos vom "unserem" Tempel. Und auf einem lag, auf Rotem Samt die Uräus-Krone, welcher der Priester bei der Gnostischen Messe trägt. Und sie hatte eine mehr als frappierende Ähnlichkeit mit der Schlange aus meinem Traum, nur, dass diese lebendig war und schillerte.

Bevor jetzt jemand sagt: "Klar, sie wusste ja wie die Schlangenkrone aussah, also hat sie sie in den Traum eingebaut!", das wusste ich eben nicht, konnte es gar nicht wissen, weil diese Kronen meist selbstgebaut werden und obschon sie den ägyptischen Uräus-Kronen der Pharaonen nachempfunden sind, alle doch sehr unterschiedlich aussehen.
Mir blieb also einen Moment der Mund offen stehe und dies hier ist das erste mal, dass ich dieses Ereignis in dem Zusammenhang öffentlich erwähne.

Naja, der Rest ist eigentlich schnell erzählt:
Ich fuhr dann im darauf folgenden Juni das erste Mal als Gast zur Messe, damals noch nach Gelsenkirchen, wohin der Tempel mittlerweile umgezogen war, und es war wirklich toll. In der Tat wie nach Hause kommen. Die Leute waren super nett und natürlich, und, was wichtig ist, mir auf Anhieb sympathisch, Messe war der Flash schlechthin, es passte einfach auf Anhieb.

Trotzdem ließ ich mir mit der endgültigen Entscheidung zur Initiation Zeit. Solche Dinge dürfen meiner Meinung nach nicht über's Knie gebrochen und vorschnell getroffen werden. Auch, wenn man mit dem ersten Grad, dem Minerval oder 0° de facto, zwar schon Vereinsmitglied - auch Orden unterliegen in Deutschland der herkömmlchen Bürokratie und Gesetzgebung, sind also formal e.V.s - "nur" gern gesehener "Gast der Familie" ist, ist es doch, jedenfalls für mich ein Schritt, der reiflich überlegt werden will.

Man wird aber auch kaum erleben, dass man dazu aufgefordert wird, endlich mal eine Entscheidung zu treffen. Man kann Jahre "nur Gast" sein und ist trotzdem immer herzlich willkommen. Es gibt keinen Zwang, wie öfters schon einmal als Kritikpunkt angeführt wird. Das einzige, was einem nicht Initiierten verwehrt wird, ist eben der Zugang zu den "Mysterien", die aber so mysteriös auch nicht sind. Gleiches gilt aber auch für Initiierten abhängig von ihrem Grad.
Das ist eben der freimaurische Aspekt beim O.T.O. und hat unmittelbar auch etwas mit geistiger Reifung und gewissen Voraussetzungen in Hinblick auf Wissen und Erkenntnis zu tun. Um mal beim Maurern zu bleiben, man beginnt beim Hausbau ja auch nicht mit dem Dach, sondern mit dem Keller oder wenigstens dem Erdgeschoß und arbeitet dann Stein auf Stein nach oben. So ist es eben auch bei uns magischen Maurern, eines baut auf dem anderen auf und stützt einander. Ohne gewisse Basics erschließen sich einem eben der Symbolgehalt späterer Handlungen und Riten nicht.

Die Inneren Grade, über die ein Mensch sowieso schon verfügt, spielen da noch eine andere Rolle. Das kann ich aber hier nicht wirklich ausführen, sonst müsste ich euch nachher leider alle töten und mich danach selbst entleiben. *Vorsicht! - Enthält Spuren von Humor & Ironie!*
Ernsthaft, man verpflichtet sich zwar zur Geheimhaltung der Riten, aber die sind eigentlich für jeden frei zugänglich und öffentlich in den verschiedensten Werken niedergeschrieben. Nur, wenn man noch nicht in den Grad eingeführt wurde, dann kann man sie lesen, ohne zu merken, das man da gerade Hochgrad-Geheimnisse vor sich hat. Das schließt also auch von vorn herein eine erfolgreiche Suche nach diesen "geheimen Riten" aus, weil man ja keine Ahnung hat, wonach man überhaupt suchen muss. 
Darin liegt das eigentliche Mysterium!

Jetzt fragt man sich wahrscheinlich, warum ich unbedingt Kontakt zu anderen Thelemiten, noch dazu in Form einer Organisation gesucht habe und warum es dann unbedingt ein "altaeonischer" Orden sein musste. Warum mir nicht eine Gruppe freifliegender Heiden, wo ich doch oben bekundete, dass mein Thelema keinen Tellerrand kennt?
Neben dem Naheliegensten, eben dem Austausch mit Menschen, die die selben Interessen und Ziele verfolgen und einen gemeinsamen Glauben teilen - Anhänger anderer Weltanschauungen suchen sich ja auch Menschen, die gleiche oder wenigstens sehr ähnliche Überzeugungen teilen, wie Asatruar, Celtoi, "Hexen", aber auch Monotheisten oder Buddhisten sich zusammenfinden - war mir ein gewisser organisatorischer Rahmen schon deshalb wichtig, weil da eine gewisse Ernsthaftigkeit wenigstens ansatzweise gewährleistet ist.
Wenn ich mich beispielsweise für Volleyball interessiere, dann suche ich mir ja auch Leute, deren Hauptaugenmerk auf dieser Sportart liegt, was ja nicht heißt, dass ich mit Leichtatleten oder Fussballern nichts mehr zu tun haben will. Der Nachteil einer losen Gruppe ist aber, dass da nie sicher ist, wie lange sie sich denn überhaupt treffen.  Also wendet man sich an einen Volleyball-Verein und umgeht damit das Risiko, irgendwann allein auf dem Platz zu stehen.
Aber ausgerechnet ein Orden?
Ich hör' s schon: "Hoho, klar das hört sich wichtig an! Sie fühlt sich wohl als etwas besseres als "Ordensschwester" und Templerin des Ostens!"
Nö, ist mir eigentlich schnuppe. Ich hätte mich auch initiieren lassen, wenn wir uns bloß Verein genannt hätten, oder Gruppe, Society, oder was es da noch für Bezeichnungen gibt. Und als Gruppenname wäre mir "Die Halbgeflappten des Westens" eben so genehm gewesen, wie "Volksfront von Judäa" oder "Die Eingeweiten vom hüpfenden Känguruh". Es geht ja im Inhalte und nicht um den äußeren Schein!
Wer lediglich in einen Orden, Zirkel, Coven oder eine Loge eintritt, weil er etwas darstellen, sich wichtig fühlen möchte, der hat meiner Meinung noch einen langen Weg vor sich, egal wie der nun für ihn aussehen mag.

Auch hat die ganze Ordensgeschichte, wie über dies jede Gruppenbildung, keineswegs etwas mit Sektierertum zu tun. Man spaltet sich nicht vom Rest der Gesellschaft ab, man bleibt Teil des Ganzen.
Überhaupt, wer Thelema für eine Sekte in der allgemein gebräuchlichen negativen Konnotion hält, dem geht das Prinzip, welches dahinter steht völlig ab.
"Thou hast no right but to do thy will. Do that, and no other shall say nay." —AL. I. 42–43
Jeder ist Herr über seinen eigenen Willen und niemand darf ihm dieses Recht streitig machen. Punkt.
Jetzt konstruiere mir bitte einmal jemand daraus, logisch schlüssig, eine Gefahr der Vereinnahmung und Beeinflussung für das einzelne Individuum. Mit Begründung, nicht nur als haltlose Behauptung.

Allerdings es gibt noch einen anderen, tief gehenden Grund, warum ich für mich entschied diesen Weg zu gehen, um mich im Rahmen meines Thelemas auszutauschen. 
Auch, wenn es gerade in meinem speziellen Bekanntenkreis eben nicht der Fall ist, so ist es eben doch eine elende Sisyphos-Arbeit, immer erklären zu müssen, warum ich gewisse Dinge so sehe und nicht anders. Auch wenn ich bisweilen in der Rolle des Erklärbärs gerade zu berüchtigt bin, so habe ich nicht immer Lust, ständig wieder bei Adam und Eva anfangen zu müssen, bevor man mal zur Sache kommen kann.
Soweit dürfte ich das ja schon klar gemacht haben.

Was mich persönlich aber wirklich ankotzt, ist die Tatsache, das selbst in der Paganen Szene teilweise ein verheerendes Bild von Thelema vorherrscht, wie vom Okkultismus und anderen esoterischen Konzepten  im allgemeinen übrigens auch. Mir ist es ja im Prinzip egal, was Leute über mich denken, und ich sehe mich auch nicht für deren Unbildung verantwortlich.
Auch ist mir der soziologische Aspekt einer teils rigorosen Abgrenzung von anderen Gruppen zum Zwecke der Selbstdefinition durchaus geläufig.

Was mir jedoch vollkommen unklar ist, ist die Tatsache, dass man eben in dem großen Rahmen "Neo-Pagan", der uns ja doch wenigsten ansatzweise verbinden sollte, mit den gleichen Vorurteilen konfrontiert wird, wie aus den Reihen der ganzen Sektenbeauftragten. Werft mal in so eine Gruppe von unterschiedlichsten heidnischen Angehörigen den Namen "Crowley"! Da kann man dann jede Art von Reaktion finden, von Unverständnis, über schreiend davon laufen bis hin zu Hetze, Häme und anderen Auswüchsen menschlicher Intoleranz.
Paradox ist es für mich schon aus dem Grunde, dass sich all die ganzen germanischen, keltischen, animistischen und freifliegenden Heiden zwar vehement immer gegen Falschdarstellungen und Fehlinformationen ihrer eigenen Glaubensvorstellungen zur Wehr setzen, aber andererseits anscheinend jeden Bullshit über Okkultisten, Satanisten und "pöse" Thelemiten glauben. Hetzt ein sogenannter Sektenaufklärer gegen ihren Glauben, ist das natürlich völlig an den Haaren herbeigezogen, eine absolute Frechheit und entbehrt jeder Grundlage, aber, was da so von demselben Mahner, teilweise in ein- und derselben "Hetzschrift" über "uns" geschrieben steht, wird unbesehen übernommen und soll somit Tatsachen entsprechen...ne, ist klar.
Jedem Sternchen sein Laternchen und sei es auch noch so ein kleines Licht.
Aber wenn man dann über solche Aussagen stolpert, wie "Das Liber Al gehört als erstes Buch wieder verbrannt!" und das aus der Feder eines sich angeblich für die Anerkennung heidnische Belange einsetzenden "Mit-Heidens", dann hört für mich der Spaß auf, auch wenn ich weiß, dass der einzige einende Aspekt in der Community eben die Uneinigkeit darstellt.
Dazu kann man eigentlich nur noch Heinrich Heine zitieren:
„Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende Menschen.”
Die besondere Frechheit in solchen und ähnlichen Aussagen liegt eben auch darin, dass es immer noch Länder und Regionen auf dieser Welt gibt, wo man seinen Glauben oder philosophisches Weltbild eben nur unter Gefahr für Leib und Leben ausüben kann und somit zur Heimlichkeit gezwungen wird, wohingegen das Schlimmste was einem hier in Deutschland nach einem religiösen Coming out passieren kann, schiefe Blicke und üble Nachrede sind. Ohne die Auswirkung, die so etwas haben könnte, jetzt verharmlosen zu wollen.
Das ist aber anscheinend auch nur in soweit relevant, wie es die eigenen oder persönlich sympathischen Glaubenrichtungen betrifft.

Sowieso, die Gleichsetzung der Person Aleister Crowley mit Thelema ist so ein Punkt, der immer wieder falsch interpretiert wird. Er war zwar der Prophet des Neuen Aeons und somit von Thelema, schon allein durch die Niederschrift des Liber Al vel Legis, aber weder hat er jemals behauptet, dass er genau wüßte, was er da "verbrochen" hat, noch hat er jemals verlangt, dass man ihm folgen sollte. Thelemiten akzeptieren lediglich das Liber Al als Das Gesetz des Neuen Aeons!
Sie sind eben keineswegs samt- und sonderst Crowley-Jünger, die in ihm ihren Guru sehen. Es gibt da welche, und die haben meiner Meinung nach einen Sprung in der Schüssel, und Uncle Al würde mir da beipflichten, es gibt auch Crowleyaner, die was der Mann geschrieben und gesagt hat, klasse finden, aber genauso viele Thelemiten lehnen die Privatperson als solche rundheraus ab.

Der Privatmensch Edward Alexander Crowley ist nicht zu verwechseln mit demjenigen, der zum Teil Werke geschrieben hat, die, meiner Meinung nach, seiner Zeit weit voraus waren. Er lebte sein Thelema, wie ich das meine, und -zig tausend andere Thelemiten eben das ihre. Alles Wahre Willen, die ihr großes Werk vollbringen. Ihres, nicht das eines anderen. Selbst in "meinem" Orden wird man kaum zwei Thelemiten finden, die genau dieselbe Auffassung über Thelema vertreten.
Die Idee Thelema selbst im übrigen nicht neu. Man kann das Konzept über Rabelais und Philosophen der Antike bis hin zu altestamentalischen Schriften und noch weiter zurückverfolgen. Crowley erneuerte es bloß und setzte es in einen neuen Zusammenhang und in einen modernen Kontext. Wie gesagt, es ist sehr stark synkrestisch.

Auch wird gerne immer wieder hervorgehoben, welche komischen Gestalten sich im Laufe der Zeit auf Crowley und Thelema bezogen haben. Von Charles Manson bis zu Hubbard. Sorry, aber das wäre so als würde ich die Lehren des Rabbe aus Galiläa an dem messen, was ein Savonarola, Heinrich Kramer, ein christlich-fundamentalistisch motivierter Attentäter auf Abtreibungskliniken oder die Bekloppten von der Westboro-Baptistchurch so auf dem Kerbholz haben.
Von gewissen Herren in der Jüngeren Geschichte, die sich unter anderem der germanischen Symboliken, philosophischen Konzepten eines Nietzsches  und der Theosophie bedienten, um Völkermord zu rechtfertigen, mal ganz zu schweigen. 

Da wird der Widersinn einer solchen Argumentation doch nur zu offensichtlich!

In der Tat sind eben solche Leute unvereinbar mit der Philosophie von Thelema im Geiste von Licht, Leben, Liebe und Freiheit!
Mehr muss man dazu eigentlich nicht sagen.

Was noch interessant wäre, ist der Grund, warum ich hier in Bezug auf Thelema einerseits von einem philosophischen Konzept rede, aber auch den Begriff Glauben verwende. Das liegt daran, dass es eben in erster Linie zuerst einmal eine Philosophie darstellt und eben keine Religion, wie fälschlicherweise immer behauptet wird.
Allerdings bietet es auch genug Motive, die durchaus religiös betrachtet werden können, wenn es dem persönlichen Willen des Einzelnen entspricht.
"Da ist Religion in Thelema für jene die es wünschen, da ist aber auch die Abwesenheit von Religion für jene die es wünschen"
Ich sagte ja schon,  wir im O.T.O. zelebrieren im Rahmen der E.G.C., also dem religiösen Flügel des Ordens, regelmäßig die für jeden offen stehende Gnostische Messe, sprechen dabei das Glaubensbekenntnis und kommunizieren. Die Teilnahme an der Messe selbst ist aber völlig freiwillig. Auch ist es jedem selbst überlassen, wie er sie für sich deutet.

So habe ich zu Anfang eben mein Thelema lediglich unter dem philosophischen Gesichtspunkt gelebt. Erst, als ich erkannte, dass eben auch darin sehr viel meines persönlichen Glaubens und Religiosität zu finden ist, bzw. dem nicht zu wider läuft, habe ich mich entschlossen, es auch als religiöses Konzept (in meinem Fall eben neo-gnostisch-animistisch) anzunehmen und dies mit der Taufe zu bekräftigen.

"Ich glaube an einen geheimen und unnennbaren Herrn;
und an einen Stern in der Schar der Sterne, aus dessen Feuer wir erschaffen sind,
und zu dem wir zurückkehren werden;
und an einen Vater des Lebens, Mysterium des Mysteriums,
in Seinem Namen Chaos, der alleinige Stellvertreter der Sonne auf Erden;
und an eine Luft, die Ernährerin von allem, was da atmet.

Und ich glaube an eine Erde, die Mutter von uns allen,
und an einen Schoß, in dem alle Menschen gezeugt werden
und dem sie ruhen sollen, Mysterium des Mysteriums,
in Ihrem Namen Babalon.

Und ich glaube an die Schlange und den Löwen,
Mysterium des Mysteriums,
in Seinem Namen Baphomet.

Und ich glaube an eine Gnostische und Katholische Kirche von Licht, Leben, Liebe und Freiheit, und das Wort ihres Gesetzes ist THELEMA.

Und ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen.
Und insoweit, als Speise und Trank in uns täglich in geistige Substanz verwandelt werden, glaube ich an das Wunder der Messe.

Und ich bekenne mich zu einer Taufe der Weisheit, durch die wir das Wunder der Fleischschwerdung vollenden.

Und ich bekenne, daß mein Leben eins, individuell und ewig ist, das war, ist, und sein wird."

Das ist mein Thelema und auch wenn es dem anderer Thelemiten auch ähnelt, so entspricht es lediglich meinem Willen und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder allgemein gültiger Wahrheit.

Wohin mich dieser Weg bringt und ob ich in zwanzig Jahren noch in dieser Form dabei bin, weiß ich nicht, und es ist auch nicht wichtig. Leben ist Wandel. Stagnation ist Tod.

Wichtig ist, dass nicht ich die Philosophie Thelema für mich entdeckte, sondern dass sie mich gefunden hat. Thelemit war ich, so denke ich heute, ohne es zu wissen schon immer. Es stellt nicht den Deckel dar, der auf den Topf, den meine Existenz darstellt, passt und somit hermetisch abschließt, sondern ist das Universum, welches mir den Raum gibt, mich nach allen Richtungen auszudehnen und zu entfalten, so wie es auch das ist, welches ich im Herzen trage und mein Innerstes erfüllt.

Es war mein Wille, all das in diesem Text einmal zusammenzufassen und ich verfasste ihn in Liebe.

Wer bis jetzt durchgehalten hat, dem sei gesagt, dass ich ihm auch damit das Gesetz gegeben habe.
Ich tat dieses ohne Absicht, so wie ich, als ich zu schreiben begann, nicht wusste, wohin mich das führt und wie umfangreich dieser Beitrag werden würde.




Aum. Ha.

Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.






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