"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Samstag, 27. November 2010

Hoch lebe der Übermensch!

Bisweilen bin ich versucht, mir einen ordentlichen Minderwertigkeitskomplex zu zu legen.
Wenn man manchen Leuten so zuhört, wenn sie darüber berichten, was sie alles schon können, was sie erlebt und erreicht haben, über welche Fähigkeiten sie verfügen, was sie sind, dann könnte man sich in der Tat teilweise sehr klein und unbedeutend vorkommen.

Ich für meinen Teil, werde bei solchen Aufzählungen anderer immer sehr still und zurückhaltend.
Was soll man denn schon entgegnen, wenn einem so nonchalant klar gemacht wird, dass man selbst so absolut unbedarft ist, sei es dass es um beruflichen Erfolg, geistige Reife oder Lebenserfahrung dreht?

Da erhoffe ich quasi Hände ringend die nächste Evolutionsstufe des Menschen, den Übermenschen, ähnlich dessen was Nietzsche in "Also sprach Zarathustra" beschreibt und muss verblüfft feststellen, dass sie schon lange unter uns weilen. *

Nicht nur, dass sie über die vielfältigsten Fähigkeiten und Talente verfügen, bisweilen ergänzt durch eine lange fundierte Ausbildung, teilweise autodidaktisch, teilweise durch Kurse, sie sind auch so großmütig, weniger Begabte daran teilhaben und davon profitieren zu lassen. Und da aufgrund unserer Minderbegabung wir weniger gesegneten Geschöpfe teilweise gar nicht um unseren Mangel wissen, somit also auch nicht um die dringend benötigte Hilfe bitten können, sind die Höheren Menschen stets schnell bei der Hand um hilfreich eingreifen zu können.

So wird im alltäglichen und beruflichen Bereich von ihnen, wenn sie denn über ein besonders Talent im Bereich der Organisation, der Betriebswirtschaftslehre oder des Managements verfügen, möglicherweise in diesen Disziplinen ein Studium oder auch nur ein paar Kurse absolviert haben, ein  "Ich habe keine Zeit!" oder "Nicht jetzt, ich bin im Stress!" gleich richtig als einen ebenso verzweifelten wie latenten Hilferuf erkannt und sogleich erhört.
Man nimmt den subalternen Mitmenschen zur Seite, mahnt ihn zur Ruhe, unterweist ihn vielleicht sogar gleich in ein paar Entspannungstechniken und erarbeitet dann vor seinen erstaunten Augen innerhalb weniger Stunden einen effizenten Zeitplan, um ihn fürderhin vor solch misslichen Situationen zu bewahren. Der Übermensch erwartet dafür natürlich keinen Dank, die vor Ehrfurcht und Begeisterung weit aufgerissenen Augen des Unterwiesenen und die Geschwindigkeit mit welcher er danach von dannen zieht, um das Gelernte sogleich in die Tat umzusetzen, sind ihm genug. 

Auch sonst sind die höheren Menschen immer gerne bereit, mit Rat und Tat zur Stelle zu sein. Singles geben sie z.B. Tipps wie man sich dahingehend verhält, dass es auch für sie wieder Hoffnung auf einen Partner gibt, so wie sie auch in Beziehungen Lebenden mit Vergnügen den ein oder anderen Ratschlag erteilen, wie diese ihr Zusammenleben noch erfolgreicher gestalten können.

So ist das Leben der Homo superior von früh bis spät geprägt durch die notwendige Aufopferung für ihre simpleren Mitmenschen.
Ihr Leben ist vergleichbar einer Großbaustelle, denn auch ein augenscheinlich in seinem Ressort gut ausgebildeter, bewanderter  Homo sapiens simplex, muss in seinen Fähigkeiten Zwangsläufig weit hinter den ihren zurückbleiben, selbst wenn sie sich nicht einmal ausdrücklich mit den jeweiligen Fachbereichen beschäftigte haben. Sowieso ist reines Wissen und umfassende Allgemeinbildung für den Höheren Menschen überflüssiger Ballast. Wo bei ihm aufgrund seiner evolutionären Vormachtstellung einfach der reine Intellekt ausreicht, um die Wahrheit zu erkennen, da nutzt selbst jahrelange Erfahrung und fundierte Studien bei den unterlegenen Vettern kaum etwas.

Was schon in den eher bodenständigen Gebieten, wie Naturwissensschaften oder Ökonomie,  und dem ganz pragmatischen Lebensbereichen die herausragende Stellung des Hyperanthropos unterstreicht, findet seinen Höhepunkt bei den Geisteswissenschaften und dem weiten Feld der Religiosität und Spiritualität.

Dem Adler gleich, der aus seiner luftigen Höhe das Beutetier erspäht, erkenne sie auch dort sofort aus wenigen Worten oder auch nur Gesten eines Homo sapiens simplex, wo bei ihm die psychologischen, soziologischen und spirituellen Defizite am größten sind, und leisten gerne selbstlos Entwicklungshilfe.

Glücklicherweise, muss ich aus eigener Erfahrung zugeben, denn ohne sie wüsste man ja nicht einmal, dass man überhaupt ein Defizit hat.
Sei es, dass man sich einfach mangelndem Mitgefühls, unterschwelliger Aggressionen, Willensschwäche oder sonstiger sozio-psychologischer Schwächen schuldig macht, oder einfach nur, dass man sich über den eigenen geistig-spirituellen Entwicklungsstand Illusionen macht, der Übermensch wird nicht nur aufklären und beraten, er wird auch anhand der eigenen Vita aufzeigen, warum er erstens zweifelsfrei dazu befähigt ist, dies zu erkennen und zweitens nur er in dieser Angelegenheit Recht haben kann.
Gerne schlägt er nach der oft harschen Belehrung dann doch noch einen versöhnlichen Tonfall an, da er ja weiß, dass der einfache Mensch keine wirkliche Schuld an seinem Defizit trägt. Er ist eben nicht so weit, und wird es auch nie sein. Damit er sich deshalb nicht so grämt, wird ihm von dem Übermenschen dann auch noch kurz verbal oder sonst wie der Kopf getätschelt. Aus dem gleichen Grund geht der Homo superior auch meist gar nicht so sehr auf die meisten Einwürfe und Pseudo-Argumente des Homo sapiens simplex ein, sondern ignoriert sie stattdessen, um ihn nicht noch mehr zu demotivieren.


Eine besondere Stellung nimmt gerade im Bereich der Spiritualität übrigens diejenigen Höheren Menschen ein, die nicht nur ein Leben als solche hinter sich haben, sondern gar mehrere.
So hatte ich die besondere Ehre und das Vergnügen einen, auf den ersten Blick, eher bescheidenen Angehörigen dieser Gruppe kennenzulernen, der nach einigem beschämten Herumdrucksen zugab, er wäre zu allem Überfluss die unmittelbare und vollständige Reinkarnation von Louis XVI.
Als er jedoch feststellte, dass ich mich ob dieser Eröffnung in ehrfürchtiges Schweigen hüllte, kam er mehr und mehr aus sich heraus und klärte mich mit immer häufiger eingestreuten französischen Phrasen, nicht nur darüber auf, warum er immer noch einen unterschwelligen Hass auf die Bourgeoisie und den Plebs hege, sondern führte diesen Umstand auch gleich als Grund für sein zuweilen dominantes Verhalten an, welches sich in der Tat nach dieser Offenbarung zeigte und sogar noch verstärkte.

Natürlich war ich überrascht und geehrt, dass sich nicht nur ein Hyperanthropos, sondern sogar ein ehemaliger Herrscher mit mir Simplicissima abgab, ganz davon zu schweigen, dass ich erfahren durfte, dass alles was ich über den Charakter und das Leben des letzten französischen Königs vor der Revolution gelesen hatte, doch so stark verfremdet war, dass er sich wohl kaum selbst wiedererkannt hätte, wenn er sich denn herabgelassen hätte, sich solcherlei profanem Zeitvertreib, wie Geschichte hinzugeben.
Aber wie gesagt, für solche Dinge haben Übermenschen jedoch einfach keine Zeit und auch keinen Bedarf.

Ich muss auch sagen, dass es mir zunehmend unangenehm war, die Zeit und Aufmerksamkeit einer solch doppelt höher gestellten Person zu missbrauchen, so dass ich auch aus diesem Grunde den Kontakt zu ihm nach einiger Zeit von mir aus abbrach.

Seien wir ehrlich, als Übermensch hat man wirklich kein leichtes Leben, denn ständig muss man sich um die niederen Homo sapiens simplex sorgen, ihnen helfen und sie belehren, damit sie überhaupt in diesem komplexen Universum existieren können, ohne sich selbst und ihrer Umwelt Schaden zu zufügen. Und das nicht nur im eigenen Umfeld, sondern weltweit, in anderen Kulturkreisen und Ländern. Überall liegt so vieles im Argen, weil es uns Einfachgestrickten schlicht an Hirnkapazität, Auffassungsgabe und Intellekt mangelt, die höheren Zusammenhänge zu erkennen. Wir selbst wissen ja gar nicht, was für uns gut ist.

Hinzu kommt die Einsamkeit!
Denn aus irgendeinem Grund vertragen sich Übermenschen nicht besonders gut untereinander. Ob das gewollt ist, damit sie effektiver in der Welt wirken können, oder eine Art Selbstopferung in dem sie sich genötigt sehen, sich mit Angehörigen der niederen Spezies überhaupt abgeben und gegebenenfalls sogar vermehren zu müssen, oder aber ein negativer Nebeneffekt ihrer Vormachtstellung, kann ich schon allein aufgrund meines niederen Intellekts nicht sagen.

Seien wir einfach nur dankbar, das es ihn überhaupt gibt: Den Homo Superior, den Übermenschen!






* Anmerkung:
Natürlich hat die hier dargestellte Art des Übermenschen nichts mit dem von Friedrich Nietzsche dargestellten Ideal zu tun. Dieser entsteht ja weniger durch Evolution, als aus sich heraus, in dem der Mensch das Mensch-sein überwindet. Mit einem wie auch gearteten Darwinismus oder Herrenmenschentum hat das übrigens nichts zu tun.

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