Außerdem bin ich bei der Recherche dazu noch über eine sehr interessante Stilblüte in Sachen "Weltverschwörungstheorie" gestoßen.
Nach dem Islam, den Zionisten, irgendwelchen, ehemals zufällig der gleichen Studentenverbindung angehörender Menschen des Öffentlichen Lebens und angeblicher Medien-Manipulation (ich lach mich scheckig. Gerade auf Herrn Benesch' berühmt-berüchtigtem Infokrieg.tv wird diese These sehr laut postuliert, dabei hat man es da mit Quellenangaben und Verifikation der weitergegebenen Informationen so überhaupt nicht. Da kann man gleich BILD lesen. Investigativer Journalismus, als "Vierte Macht" wird bei beiden Medien jedenfalls gründlich missverstanden und seriös ist eh was anderes) wird die Freiheit des Menschen, wohlgemerkt nach Meinung der illusteren Weltverschwörungs-Gemeinde, nun auch noch durch die Macht der organisierten Kampf-Feministinnen bedroht. Stichwort Genderismus. (Artikel ist schon in Planung!)
Ähm, ich weiß ja, dass auch diese Weltverschwörungskiste eine Art von Religion darstellt, und dass nun mal jeder Mensch das Recht hat, seinen Glauben ungestört auszuüben. Aber, Leute, ich frage mich da mittlerweile wirklich, wo bei diesem Konzept der Glaube aufhört und die Paranoia beginnt.
Wie sagte Dieter Nuhr so treffend:
"Informations-Gesellschaft:
Wenn man soviel erfährt, daß man nichts mehr begreift..."
Ich habe wirklich manchmal das Gefühl, dass genau da das Problem liegt.
Im Medien-Zeitalter dringen so viele Informationen auf den Menschen ein. Die Möglichkeit sich Informationen zugänglich zu machen und diese unterschiedlichsten Quellen dann miteinander abzugleichen, um sich selbst am Ende ein möglichst realistisches Bild der Lage zu verschaffen, war noch nie in so großem Umfang möglich, wie heute.
Sollte man denken...
Allerdings scheint es jedoch so zu sein, dass der Mensch nur in begrenztem Maße fähig ist, Informationen zu verarbeiten.
Ein zuviel an Input, wie wir es heute vielfach vorfinden, scheint dahin zu führen, dass der Konsument am Ende überfordert ist.
Was leider anscheinend nur noch an Informationsgehalt in dem Durcheinander im Kopf übrig bleibt, sind wohl zumeist nur die plakativsten Eindrücke. Der Mensch kann eben Bilder leichter erfassen, als bloße Worte.
Nicht umsonst bedienen sich ja die eher zweifelhaften Medien, sei es Printmedien, Fernsehmagazine oder auch Info-Sites im Web eben darum besonders aufdringlicher Aufmacher, wie Schlagzeilen und Bilder, aber eben auch einer sehr grell und bildhaft anmutender Sprache.
Diese sind eben für manche eingängiger und bleiben nachhaltiger im Gedächtnis, als die meist doch eher sachlich-trockenen Berichte seriöser Medien.
Leider ist es immer noch nicht soweit, das der Zugang zu den neuen Medien auch mit einer Medienmündigkeit oder, besser, Medienkompetenz der Nutzer einhergeht .
Die meisten Menschen haben eben nie wirklich gelernt, wie man mit den Möglichkeiten der Informationsgesellschaft vernünftig umgeht.
Erstaunlicherweise fällt mir dieses meist gerade bei den Verfechtern der "Brot-und-Spiele"-Konspirationsteorie auf.
Natürlich haben sie dahingehend Recht, wenn sie sagen, dass der Mensch z.B. durch Hohl-Fernsehen vom Akteur zum passiven Konsumenten verkommt. Allerdings wird niemand gezwungen, sich "BigBrother", "Deutschland sucht den Super-Dödel" oder die x-te Dokusoap rein zu ziehen, erst recht nicht von staatlichen Stellen, wie sie es bisweilen gerne darstellen. (Und selbst, wenn man sich sowas, wie gesagt, völlig freiwillig, gibt, muss man das Gehirn nicht in dem Moment abschalten, in dem man den Fernseher einschaltet.)
Sie selber jedoch, und das ist auffällig, fallen gerne ebenso kritiklos auf die Meinungsmacher herein, die mit angeblich unabhängiger (in der Tat wohl eher, wie bei Infokrieg, unveriferzierter!) Berichterstattung um die Gunst gerade dieser Zielgruppe buhlen und diese dann auch brav mit genau dem füttern, nach dem es diesen Menschen verlangt, nämlich der Bestätigung all ihrer geheimen, eben durch diese Unfähigkeit im Umgang mit der Fülle an Information hervorgerufenen, Ängste.
Das ist aber sicher nicht das, was Immanuel Kant und im Übrigen auch Theodor Adorno mit dem "Mut zur Mündigkeit" gemeint haben.
Letzterer übrigens, Adorno, war es, der schon lange vor der Einführung der Gesamtschule in Deutschland, immer wieder darauf hinwies, dass zur Erziehung der Bevölkerung zum Mündigen Menschen eine weitgehende Reform des Bildungssystems, weg von dem dreigliedrigen Schulsystem, nötig wäre.
Schon er wußte nämlich, dass der Weg zum mündigen, nicht so ohne weiteres zu manipulierenden Bürger nur über eine möglichst fundierte Bildung zu erreichen ist!
Nebenbei drängt sich mir persönlich auch bei meiner augenblicklichen Lektüre, der, von Adorno und Max Horkheimer verfassten, "Dialektik der Aufklärung" der Gedanke auf, dass man diese auch gleichermaßen auf die Weltverschwörungstheorie übertragen könnte:
Einerseits die Theorie, dass eine krampfhafte Hinwendung zur vernunftmäßigen Aufgeklärtheit, weg vom Mystizismus, die Menschen eben ihrem natürlichen Bedürfnis gerade nach "unvernünftig" anmutenden Empfindungen, wie Spiritualität und auch reinem Glauben, beraubt, schadet und sie quasi "kastriert".
Nicht umsonst, so deucht es mich, ist nach einer gewissen Zeit der Rationalität, in den letzten Jahren die Rückbesinnung der Menschen zu Spiritualität und Glauben, auch mit allen eher negativen Auswüchsen, wie zwanghaften Feng Shui, irgendwelchen Menschen, die felsenfest davon überzeugt sind, dass hier 2012 das Licht ausgeht und Eso-Mainstream der übelsten Sorte oder fanatischen Gotteskrieger-Evangelikalen, zu beobachten. Ich denke, auch die neo-heidnischen Gruppen verdanken diesem Bedürfnis nach "Unvernunft" einen nicht zu unterschätzenden Zulauf.
Der Mensch ist eben nicht nur Kopf, sondern auch Herz und Seele.
Allerdings, wie ich bereits sagte, kann man auch die Weltverschwörungstheorie als Glaubenskonzept im Sinne einer Religion betrachten.
Und, in Hinblick auf die Aufklärung und der, dieser scheinbar konträr zuzuordnenden Spiritualität, schlagen die Angehörigen dieser Glaubensrichtung zwei Fliegen mit einer Klappe, denn sie nehmen wohl an, dass ihre als Tatsachen dargestellten Urban Legends nicht unter dem, für den modernen aufgeklärten Menschen, mit Makel behafteten Etikett der Mythen fallen würde.
Sie bedienen also ihren Anspruch als Aufgekläre Menschen, ohne jedoch auf ihre Mythen verzichten zu müssen, da sie diese als, zum Teil sogar wissenschaftliche, Tatsachen darstellen, müssen sie sich jedoch nicht in die gleiche Ecke stellen, wie diese "unaufgeklärte Bande" von ewig gestrigen Gläubigen, Spiritualisten, Hexen, Zauberstabschwingern und Besenreitern.
Bitte, als Beispiel, nur wahre Gläubige dürften bei einer, mit einem lateinischen Begriff betitelten Lebensmittelnorm der UN, Codex Alimentarius, auf die Idee kommen, dass da irgendwelche grauen Herren mit Freimaurerhintergrund die Menschheit vergiften, drogenmäßig ruhigstellen oder gar unfruchtbar machen möchten, besonders da dieser Codex hier für jeden frei zugänglich herunterladbar und somit nachprüfbar ist. (aber klar: Lateinisch Titel= mystisch = Freimaurer oder andere Geheimgesellschaften!)
Dass eine Lebensmittelnorm durchaus dahingehend Sinn macht, dass nicht jeder irgendwas wild in Nahrungsmittel hineinpanschen kann, wäre ja auch zu einfach.
Genauso gut könnte ich behaupten, das deutsche Reinheitsgebot beim Bier diene den, natürlich in einer Geheimloge organisierten deutschen Bierbrauern einzig und allein dazu, ausländische Konkurenten zu boykottieren und den Weltmarkt monopolistisch an sich zu reißen. (Vorsicht, Ironie! Nicht, dass ich diese Aussage demnächst auf entsprechenden WV-Foren als Tatsache wiederfinde!)
Zurück zur "Dialektik der Aufklärung".
Noch ein Aspekt dieses Werkes erinnert mich unangenehm an das, was man zum Teil aus den Kreisen der WVT (Weltverschwörungstheoretikern) zu hören und lesen bekommt, bzw. an die Mechanismen der Medien, die diese Zielgruppe bedienen.
Im fünften Kapitel "Elemente des Antisemitismus" beschäftigen sich Adorno und Horkheimer mit der Funktionsweise faschistische Propaganda.
Gib den Zuhörern oder Lesern das Gefühl, einer von ihnen zu sein, biete den Leuten eine, möglichst fesselnde, unterhaltsame Show, spiele mit Assoziationen und psychologischen Tricks, brich Tabus, schockiere sie mit deiner scheinbaren Offenheit, bleibe dabei aber wage in deinen Andeutungen, nenn die Dinge nie beim Namen, sondern deute sie nur an, sprich nicht ihren Intelekt, sondern ihre Gefühle an, und besonders, ziehe strickte Grenzen zwischen Gut und Böse und Weiß und Schwarz, zwischen "Wir" und "Ihnen".
Auffällig ist dabei immer die Verwendung eines, wie auch gearteten, aber stets nebulösen Feindbildes!
Bei den rechten Faschisten, heute wie damals, ist es die ebenso antisemitische, wie auch absolut paradoxe "Jüdisch-Bolschewistische Weltverschwörung", bei den Linksfaschisten sind es "Das Kapital", bei wieder anderen sind es "Die Fädenzieher" oder "Die Dunklen Mächte".
Dies alles dient einerseits dazu, dass sich die Zielgruppe einer elitären, eingeschworenen Gemeinschaft zugehörig fühlt, andererseits wird das Überansprechen des gefühlsmäßigen Empfindens dahin führen, dass angeführte Klischees nicht mehr hinterfragt werden.
Man ist einfach nur noch beseelt von der Botschaft. Gerade zu frenetisch...
Dergleichen findet man eben nicht nur im politisch motivierten Faschismus, sondern ebenso auch bei ähnlichen gearteten, religösen Bewegungen.
Und, da ich ja die WVT als eine Art religiöse Bewegung bewerte, auch dort.
Wer es nicht glaubt, darf sich gerne mal daran wagen, mit einem Anhänger dieser Richtung vernünfig und sachlich über seine Theorien auszutauschen.
Im besten Fall, wird man feststellen, dass man entweder als eben nicht eingeweiht und darum als nicht fähig, die Zusammenhänge zu erkennen, abgeschrieben wird, im schlechtesten Fall ist man eben einer von ihnen.
Und fragt bloß nicht nach seriösen Quellen jenseits des WVT-Kosmos!
Weil...eben...die Medien sind ja fest in der Hand von IHNEN!