Nachdem ich in dem vorherigen Beitrag der Mord-Serie
"Tod dem Buddha" über die Notwendigkeit geschrieben habe, sich von Lehren und Lehrern frei zu machen, um sich eigenen spirituelle Erfahrungen öffnen zu können, geht es heute dem Willen an den Kragen.
Dafür muss ich allerdings etwas ausholen, also habt Geduld mit mir:
Karma, gerade im spirituellen Bereich ein oft gebrauchter, oft auch missdeuteter oder gar missbräuchlich genutzter Begriff, hat nichts mit Schicksal oder äußere Beurteilung eines Menschen und seiner Taten (wie z.B. durch das Jüngste Gericht) zu tun. Es ist also nicht mit (gerechtfertigter) Vergeltung von "Sünden" zu verwechseln.
Die Vorstellung beruht vielmehr auf dem Verständnis von Ursache und Wirkung, sowohl von Handlungen, als auch, und das wird häufig vergessen, von Gedanke und Gefühlen einer Person. Bei der Auswirkung spielt die Absicht eine sehr große Rolle, jedoch nicht, wie man vielleicht fälschlich annehmen könnte, dass gedankenlose, unabsichtliche, Taten ohne Auswirkung blieben - jede Handlung, jeder Gedanke, jedes Gefühl ordnet augenblicklich die Welt neu, weil ich, wie ich bereits in dem
Tiphareth-Beitrag andeutete, die Meinung vertrete, alles stehe miteinander in Verbindung , da es sich um einen einzigen Organismus handelt - sondern vielmehr in dem Sinne, dass die dahinter stehende Grundhaltung des Einzelnen ausschlaggebend ist. Karma ist lediglich die logische Konsequenz unserer Handlungen und der Absicht, die ihnen zu Grunde liegt.
In der Ethik des Buddhismus kennt man dazu die
Drei Geistesgifte, treffender als
"Leid verursachenden Emotionen" bezeichnet:
- Gier (pali lobha, tib. 'dod chags), auch als Sucht oder Begierde übersetzt, ist das Haben- und Besitzenwollen, das Bestreben, auf jeden Fall und um jeden Preis zu existieren. Mit Gier verwandt sind die Leidenschaften, heftiges Begehren (raga) und "Durst" nach Werden (tanha).
Erscheinungformen: Begierde, Machtgier, Sucht, Ruhmsucht, Habsucht, Trunksucht, Begierde nach den fünf Sinnesobjekten, Verlangen, Sehnsucht, Neigung, Zuneigung, Anhänglichkeit, Vorliebe, Verliebtheit.
Heilsam (kosala) wirken Großzügigkeit und Mildtätigkeit (dāna).
- Hass (pali dosa, skt. dvesa), auch als Zorn übersetzt, ist die Selbstbehauptung eines illusionären Selbst den Mitwesen gegenüber.
Erscheinungformen: Wut, Zorn, Rachsucht, Abscheu, Ärger, Übelwollen, Unwillen, Widersetzlichkeit, Abneigung, schlechte Laune, Widerwillen, Verdruß, Ressentiment.
Heilsam wirkt Güte (metta).
- Verblendung (moha) und Unwissenheit (skt. avidya) sind weitestgehend deckungsgleiche Begriffe.
Erscheinungsformen: Unwissenheit (von wesentlichen Dingen, z. B. den vier edlen Wahrheiten), falsche Ansichten, Fanatismus, Dünkel, Verwirrung, Stumpfsinn, Dummheit, Vorurteil, Dogmatismus.
Heilsam und erstrebenswert ist dagegen Weisheit (pañña)
(Quelle: Wikipedia, primär Quelle: Pali Kanon, Online Version zB. hier)
Daraus ergibt sich dann eben auch die Wirkung des Karma auf das Leiden durch Samsara oder die Reinkarnation
Genauso wenig wie der ständige Wandel von Werden und Vergehen, das damit verbundene Leiden, etwas mit Strafe für ein verfehlte Heilsziel, in dem Fall die Erlösung vom Leiden durch das "Erwachen"(Bodhi) zu tun hat, kann man durch äußere Einflüsse daraus befreit werden. Auch hier gilt, der Kreislauf ist keine Hölle aus der man durch ein "gottgefälliges" frommes Leben erlöst oder befreit wird.
Es gibt schlicht
keine höhere Instanz, die straft oder belohnt.
Allein die Erlangung von
eigener Erkenntnis über die Zusammenhänge (Dharma) des Seins führt zu einem Abstellen des Leidens.
Das heißt auch, dass man
nicht durch willentliche "Anhäufung" postitivem Karmas seine Chancen verbessert, aus dem "Teufelskreis" auszubrechen.
Dabei ist es wichtig zu wissen, dass man nicht nur zwischen "Unheilsam" und der jeweiligen "Heilsamen" Ensprechung, beispielsweise Hass und Güte, unterscheidet, sondern
auch versteht, dass es dort dann wiederum noch eine Trennung zwischen "Weltlich" und "Überweltlich" existiert. So befreit weltliche, also lediglich auf die Wirkung auf die (Um-)Welt bedachte, Güte
nicht vom Leiden, erzeugt aber Karma, wohingegen Güte um ihrer Selbst Willen,
über die Weltliche Wirkung hinaus, welches kein Karma erzeugt, das Leiden beendet.
Hinzuzufügen ist ebenfalls, dass das "Leiden" bzw. das Leben als "leidvoll" zu betrachten, im Buddhismus
keinesfalls mit einer pessimistischen Grundhaltung zu verwechseln ist. Mit Weltschmerz, elendem Dasein oder Kummer hat dies wenig bis gar nichts zu tun. Leiden, Dukkha, bezeichnet lediglich den Kreislauf von Werden und Vergehen durch eine weltliche, sprich auf das Ego reduzierte Existenz.
Abstellen von Leiden durch das Erwachen (Bodhi) beendet diesen Kreislauf,
nicht aber das Dasein.
Nirvana, das Verlöschen, ist ja auch kein jenseitiges Erleben, flutsch und weg, immerhin lebte und lehrte Buddha Gautama nach der Erlangung dieses Zustandes durch das Erwachen noch gut 40 Jahre. Danach verschwand er nach buddhistischem Selbstverständnis auch nicht im Nichts, sondern ging ein in eine höhere Existenzebene. (Von der Möglichkeit, Bodhi zu erlangen und
trotzdem weiter
freiwillig Samsara zu "erleiden", um aus reiner Liebe erst anderen auf dem Weg der Erleuchtung zu helfen, dem Bodhisattva, rede ich besser gar nicht...^^)
Wie bereits im vorangegangenen Artikel
"Tod dem Buddha", auf den dieser hier die unmittelbare Fortsetzung darstellt, angesprochen, steht einem hier bisweilen die westliche geprägte Denkweise im Weg.
Mehr noch, es ist auch teilweise schwierig, die buddhistische Auffassung von der des Hinduismus zu unterscheiden, der zum Teil dieselben Begriffe in einem komplett anderen Kontext verwenden.
Das wird auch dadurch klar erkennbar, dass man im Hinduismus an eine unvergängliche Seele glaubt, die man "mitnimmt" in die nächste Reinkarnation, im Buddhismus jedoch gar keine Seele existiert (Stichwort:
Anātman)!
Hinzu kommt, dass Buddha Gautama bei der Weitergabe seiner Erkenntnisse immer auf verschiedenste, an die geistigen und spirituellen Voraussetzungen seiner Zuhörer angepasste, Art und Weise lehrte. Das ist auch der Grund, warum es nicht den Buddhismus gibt, sondern eine Vielzahl von Schulen und Richtungen, die sich zum Teil erheblich in der Auslegung der Lehre unterscheiden.
(Ich beziehe mich in meinen Ausführungen bezüglich des Buddhismus hier fast immer auf die im Mahayana bzw. Zen praktizierten Interpretationen, denn nur damit habe ich mich beschäftigt und nur darin habe ich Praxis!)
Beides also, Karma wie auch das Abstellen des Leidens, das Ausbrechen aus dem Kreislauf der Wiedergeburt (besser spräche man in Hinblick auf die unterschiedliche Konzepte, um Missverständnissen vorzubeugen, von
Punabbhava,
Wieder-Existenz), liegt in der Selbstverantwortung jedes einzelnen Menschen durch Erlangung tieferer Erkenntnis und steht somit vollkommen kontär zur
Prädestinationslehre.
Das Leiden kommt nicht von außen, sondern ist, wenn man so will, selbstzugefügt. Aufgabe des Menschen ist es, dies durch absichtslose, also nicht auf das Ego ausgerichteter Selbstbeobachtung zu erkennen und daraus die Konsequenzen für das persönliche Handeln zu ziehen und so die Ursache des Leidens zu beseitigen. Zuerst für sich selbst - Veränderung sollte immer von Innen nach Außen erfolgen! - und erst dann auch durch die veränderte Verhaltensweise für seine gesamte Umwelt, jedes Lebewesen.
Was ist aber diese Absichtslosigkeit, dieses Absichtsloses Handeln?
Wie bereits gesagt, hat das nichts mit Fatalismus oder Gedankenlosigkeit zu tun. Vielmehr handelt es sich dabei um das Handeln
ohne die, oben angeführten, "Drei Geistesgifte".
In unsere, westliche, Auffassung übertragen könnte man es mit Selbstlosigkeit übersetzen, jedoch auch hier lauert die Gefahr, den Begriff unterbewusst durch unseren kulturellen Kontext zu missdeuten. Mit Altruismus in seiner negativ behafteten Deutung, nämlich der völligen Aufopferung des Selbst, gemeinhin als "Selbstaufgabe" bekannt, hat Absichtsloses Handeln meiner bescheidenen Meinung
absolut nichts zu tun.
Zwar trifft der Begriff "
Opferung" den Kern der Sache ziemlich genau, in dem Sinne, dass man sein Ego beseite schiebt, und die Motivation für seine Handeln ständig daraufhin überprüfen sollte, ob sich dahinter nicht doch eigennützige Interessen verbergen, jedoch kann auch schon diese Art der Selbstopferung eben durch die Harangehensweise mit "leidverursachenden Emotionen" behaftet sein, wenn sie aus den falschen Gründen erfolgt oder man, wie häufig zu beobachten, Ego und Selbst nicht zu unterscheiden mag. Besser wäre es daher von Ich-Opferung zu sprechen.
(wobei beides nach buddhistischem Verständnis sowieso eine Täuschung ist bzw. eine temporäre Erscheinungsform der
Skandhas. Aber belassen wir es einstweilen bei den Begriffen - Mehr dazu in der Fortsetzung...)
Wie ich bereits mehrfach in unterschiedlichsten Kontexten erklärt habe, ist die Psyche eines Menschen sehr vielschichtig und gerade das Unterbewusstsein neigt dazu, uns an der Nase herum zu führen, so lange wir es nicht "zu packen kriegen". Viele Menschen, und da nehme ich mich bestimmt nicht aus, neigen dazu, sich selbst etwas über ihre Absichten und Motivationen in die Tasche zu lügen.
Das liegt eben auch daran, dass sich eben im Unterbewußtsein sehr viele alte Verletzungen, Vorurteile, schlechte Erfahrungen manifestieren, ohne dass man sich dessen bewußt sein mag. Man gibt vor, etwas aus Uneigenützigkeit zu tun, ist davon möglicherweise sogar fest überzeugt, allerdings verbergen sich dahinter eben dann doch höchst egoistische Beweggründe, die "Geistesgifte", resultierend eben aus diesen unterbewußten "Schatten".
Das kann soweit gehen, dass einem das Unterbewusstsein sogar vorgaukelt, beim Ego handele es sich um das Selbst.
Aber
allein schon, mit seinem Handeln ein bestimmtes Ziel
verfolgen zu wollen, also etwas bestimmtes
zu begehren, führt weg vom absichtslosen Handeln.
Sich dessen bewußt zu werden, wäre also der erste Schritt zum absichtlosen Handeln.
Um zu verstehen, was dieses Handeln ohne Absicht nun wirklich ist, hilft es, sich etwas mit
Daoismus zu beschäftigen, der bei der Entstehung des Zen maßgeblichen Einfluss hatte. Dort gibt es den Begriff des
WuWei, des Handelns durch
Nicht-Handeln.
Um das zu verstehen, muss man Begreifen, dass das Dao Alles und Nichts ist, Existenz und Nicht-Existens, im Grunde unser gesamter Kosmos. Die ein wenig abgedroschne Phrase
"Der Weg ist das Ziel!" ist Dao, denn es ist eben von der Bedeutung her beides in einem, Weg und Ziel zugleich. (Tipp: Einfach mal bei dem vielzitierten Satz die Artikel weglassen!)
Handeln durch Nicht-Handeln bedeutet also nicht, sich in etwas fügen, die Hände in die Taschen schieben und warten, dass
"ES" vorübergeht, sondern
nicht gegen das Dao zu arbeiten, sondern
mit ihm.
Um zu verdeutlichen, was damit gemeint ist, versuche ich es mit einem Beispiel:
Man steht in einer Großstadt an einer stark befahrenen, vielleicht vierspurigen Straße und möchte auf die andere Seite.
Nun hat man mehrere Möglichkeiten:
Man kann warten, bis die Straße völlig frei ist. (Optimist!^^)
Man kann sich die nächste Fussgängerampel suchen, was durchaus vernünfig wäre.
Man kann aber auch erst einmal schauen, nach welchen Gesätzmäßigkeiten der Verkehr fließt (und diese Gesätzmäßigkeiten gibt es!) und dann losgehen.
Wenn ein Auto kommt bleibt man kurz stehen oder passt seine Schrittgeschwindigkeit an, bis es vorüber ist und geht weiter, Stück um Stück, den fließenden Verkehr immer im Auge behaltend.
Man darf nur nicht den Fehler machen, sich dem Kopf, dem Verstand, auszuliefern, der einem vielleicht sagt: "
He, das ist bekloppt! Kein vernünftiger Mensch macht, was du da machst. - Wenn du dich in der Geschwindigkeit verschätzt, dann erwischen sie dich! - Nicht jetzt gehen, stopp! - Da kommt einer, da, da ist wieder einer! - Boah, guck dir mal an, was auf der anderen Spur los ist, da kommst du nie rüber, selbst, wenn du es bis dahin schaffst....!", oder einfach nur das Ziel im Augen haben und blindlings losgehen, sondern schlicht intuitiv auf das reagieren, was gerade passiert. Man wird dabei merken, dass durch dieses Handeln weder der Verkehr stockt, noch man selbst ins Stocken gerät.
Das funktioniert!
(Liebe Kinder, ich muss jetzt nicht sagen, dass die olle Krähe schon ein paar Jahre Erfahrung auf dem Buckel hat und man die auch braucht, um zu wissen, wann man sich im "Flow" befindet und wann man solcherlei Handlungen besser verkneift, oder?)
Das ist Wuwei, das ist leben im Dao, das ist Zen!
Wenn ich mir ein Ziel setze, dann setze ich nicht alles daran, dieses gegen alle Widerstände durchzuboxen, sondern ich beginne einfach mit einem Schritt, und dieser erste Schritt ist das Ziel, dann kommt die nächste Etappe und so fort und ich nutze jeweils das, was auf den einen Schritt an Reaktion, Resonanz erfolgt, orientiere mich daran, nutze es, um weiter zu machen. Das muss mich nicht auf geradem Weg zum Ergebnis führen, subjektiv gesehen, mag es mich auch aufhalten oder mich Zeit kosten, aber im großen Ganzen betrachtet, komme ich damit wesentlich erfolgreicher, schneller, weil mit weniger Rückschlägen und verlustfreier für mich und alles andere (Mitmenschen, Umwelt, Kosmos) voran, als dass ich versuche, durchzubrechen und dabei vielleicht mehr Schaden verursache, als Nutzen. Ich arbeite nicht gegen etwas (das Prinzip), sondern mit dem, was ich vorfinde. Ich biete keinen Widerstand! Kein
"Das muss aber jetzt klappen!" Ich mache einfach, und sehe was dabei herauskommt.
Ein besseres Beispiel, welches mir zur Veranschaulichung einfiele wäre noch, wenn man sich den Weg durch einen Dschungel bahnen müsste, weil man auf die andere Seite gelangen möchte. Man kann sich dann natürlich eine Machete schnappen und sich den Weg frei schlagen. Man kann aber auch erst einmal schauen, ob sich nicht auch natürliche Schneisen finden lassen, wie zum Beispiel ein Bach oder Fluss, der sich durch den Urwald schlängelt, und dann an dessen Ufer entlang gehen. Das bedarf zwar etwas Zeit, mag auch nicht auf geradem Weg zum Ziel führen, aber ich nutze damit natürliche Pfade, die bereits vorhanden sind ohne etwas willentlich zu zerstören.
Auch beim
Aikidō finde ich, mehr noch als beim oft angeführten, weil systeminhärenten,
Tàijíquán, Wuwei. Der Verteidiger nutzt die vorhandene Energie des Angreifers um ihn angriffsunfähig zu machen. Dabei ist er nicht der Aktive, sondern reagiert lediglich
intuitiv auf das, was ihm der Angreifende zur Verfügung stellt.
Aikidō ist meiner Meinung nach nicht nur wegen seines Defensiv-Charakters eine sehr schönes Beispiel, sondern auch, weil es weder Gewichtsklassen noch eine Trennung nach Geschlechtern und auch, traditionell, keine Wettkämpfe kennt. Zwar wurde von verschiedenen Schulen immer wieder versucht, solche Wettkämpfe zu initieren, um die Umsetzung unter realen Situationen zu üben und zu gewährleisten, allerdings genügte bisher keines der dafür herangezogenen System der eigentlichen Philosophie, welche dem Aikidō zu Grunde liegt. Allein schon, dass es dabei um Sieger und Verlierer(Besiegten) gehen müsste, widerspricht dem nicht-dualistischen Denken.
Einen sehr schönen Text, der sich mit dieser Problematik auseinandersetzt, findet man
hier.
Was hat das alles aber mit der Überschrift "Töte den Willen" zu tun?
Und wieso rede ich als Thelemit hier davon, den Willen zu töten, wo Thelema doch nichts anderes heißt als "Willen"?
Weil es sich dabei eben um zwei Arten Willen handelt, weshalb dieses Thema hier ( und für mich persönlich) auch so viel Raum einnimmt. Das ist auch der Grund, weshalb ich bei dieser Thematik, wie bei allen "Tötungsdelikten" so großen Bezug auf Buddhismus bzw. Daoismus nehme.
Ich denke, viele Probleme, viele Missstimmungen und Niederlagen beruhen eben darauf, dass Menschen mit falschen Vorstellungen an ihre Pläne, Vorhaben, um nicht zu sagen, ihr Leben herangehen.
Sie
wollen glücklich sein, sie
wollen geliebt werden, sie
wollen anerkannt werden.
Die Aufzählung könnte beliebig erweitert werden.
Meiner Meinung nach erliegt man dabei aber dann dem fatalen Fehler, sich
gegen die Welt zu stellen, eben in dem Sinne, dass man
nicht das Vorhandene
nutzt, sondern
etwas aus dem Nichts heraus
erzwingen will. Sie sehen sich dabei als "Einzelne" in der Menge anderer "Einzelner".
Individualismus ist zwar existenziell wichtig, was ich ja bereits
hier einmal beschrieben habe, aber auch ein Individuum ist
allein kaum lebensfähig.
Willen im oben beschriebenen
weltlich ausgerichteten Kontext, also die
Begierde allein, mag das Ego befriedigen, aber er stößt dort auf seine Grenzen, wo es gilt, sich mit der Außenwelt, anderen Individuen, zu vereinen. Das Ego
will nicht teilen, es
will herrschen. Es ist in erster Linie auf die Befriedigung der
eigenen Gelüste ausgelegt. Diese Gelüste jedoch erzeugen eben ein Ungleichgewicht im Makrokosmos (Umwelt), das wiederum seinen Niederschlag im Mikrokosmos(Mensch) findet, sei es Enttäuschung, Verbitterung, Hass oder Aufgabe.
Dieser egobezogene, weltlich ausgerichtete, Wille
erwünscht sich eine Reaktion, z.B. eine Liebesbezeugung oder Anerkennung, vielleicht
sogar den Weltfrieden (siehe Geistesgift Nummero Uno), dies ist das
begehrte Ergebnis, allein
dies steht der Umsetzung aufgrund falscher Vorraussetzungen oder Annahmen (Geistesgift 3) im Weg und so wird seine Realisierung erschwert oder unmöglich gemacht,
weshalb man dabei auf Widerstände trifft (und deshalb Geistesgift Nr. 2 hervorruft).
Jeder, der schon mal einen Gegenstand verlegt hat, dürfte es kennen:
Man sucht und sucht,
will dieses Ding unter allen Umständen finden, aber die Suche bleibt erfolglos. Zum Haareraufen! Wenn man dann endlich die Suche irgendwann wütend oder entnervt aufgibt und sich möglicherweise zähneknirschend ein neues "Ding" kauft, dann fällt einem das Gesuchte plötzlich vor die Füße!
Was wie ein Scherz des Universums anmutet, ist lediglich, so bescheuert sich auch anhört, die praktische Auswirkung auf ein Handeln gegen das gesetzmäßige Prinzip (Dao).
Das ist das im Buddhismus als "Weltlich" definierte Wirken. Die absichtliche Handlung.
Anders sieht es mit dem im Thelema oft benutzten Terminus des "Wahren Willen" aus.
Dabei handelt es sich eben, so denke ich, um diese, nach buddhistischer Definition "
Überweltliche" Art des Wirkens, die sich durch absichtslose Handlung manifestiert.
Dies ist auch für mich der Kern hinter der Aussage dieses Satzes aus dem Liber Al vel Legis:
"For pure will, unassuaged of purpose, delivered from the lust of result, is every way perfect." AL I, 44
Übersetzt etwa "Denn reiner Wille, unbefleckt von Zweck, erlöst vom Gelüst nach Ergebnis, ist in jeder Weise vollkommen. "
Nicht das Ego,
sondern das Selbst ist hier die treibende Kraft. Dieses aber kennt
keine Eitelkeit,
keine Begierde,
keinen Hass,
keine Beschränkung. Es
ist und damit ist es Dao.
Ich weiß, es nervt langsam, aber anders kann ich es eben nicht in Worte fassen. Alles-Nichts wäre dem Verständnis noch weniger hilfreich. Einzig
Ensō könnte versinnbildlichen, was ich meine.
"Enso - Calligraphy by Kanjuro Shibata XX"
Aber ich könnte jetzt nicht sagen, was man da erkennen sollte oder gar müsste. Entweder es macht *klick* oder eben nicht.
Dafür ist es übrigens vollkommen unwichtig, ob man nun dem Gesetz Thelemas, dem Daoismus, Buddhismus oder ähnlichen Philosophien folgt oder noch nie etwas von alldem gehört hat...
Jedenfalls ist hier eben wieder der Punkt erreicht, wo die Sprache an die Grenzen ihrer Ausdrucksmöglichkeiten für das Erlebbare, Fühlbare, für die Erkenntnis, stößt.
Intellektuell kann man das
nicht erklären, sowie es, meiner Erfahrung nach, auch mit dem Verstand (allein)
nicht erfassbar ist. Gleiches gilt für mich eben auch aufgrund eigener Erfahrung für die hier erwähnten östlichen Philosophien, Buddhismus, in meinem Fall Zen, und Daoismus. Wer sich ihnen
nur auf Basis des Verstandes nähert, wird meiner Meinung nach niemals
erfahren, was die Lehren
wirklich beinhalten. (Gilt im Übrigen m.E. für jede spirituelle Erfahrung).
Jedenfalls kann es auf der Suche nach dem Wahren Willen wichtig sein, den "Willen" zu töten, wenn man es aus diesem von mir beschriebenen Aspekt heraus angeht bzw. betrachtet.
Auch, wenn man nicht nach höherer Erkenntnis strebt, kann das Wissen um die hier beschriebenen Prinzipien durchaus nützlich sein.
Und wenn es sich eben nur darum dreht, zu begreifen, warum man das, was man gerade händeringend sucht, eben ums Verrecken nicht finden kann...^^
Apropos absichtsloses Handeln, Wahrer Wille und Scherz des Universums, erinnert sich noch jemand, der den vorherigen Beitrag oder den als Initialzündung dienenden
Tipharet-Artikel gelesen hat, an meine Schilderung über meine bewußte Abkehr vom Pfad des Zen und dem Buddhismus generell, weil ich damals nicht die Absicht hatte mein schönes Ego zu Gunsten Höherer Erkenntnis aufzugeben?
Tja, wer den Gag jetzt schon verstanden hat, darf nun ruhig lachen...
Mindestens ein Mord steht übrigens noch aus...
To be continue