"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Mittwoch, 2. Juni 2010

Tod dem Buddha!

Ich muss noch mal auf meine Behauptung im vorhergehenden Beitrag eingehen, dass ich nicht erleuchtet werden möchte.
Es stimmt schon, ich strebe nicht nach diesem Zustand. Erleuchtung ist sowieso ein sehr blöder Ausdruck, weil er den Akt/Zustand als solchen nur mangelhaft beschreibt und meiner Meinung nach in der westlichen Welt auch immer etwas missverstanden und somit auch missverständlich gebraucht wird.

Diese Missdeutung liegt vielfach daran, dass wir hier in einem christlich geprägten Kulturraum leben und dies eben auch das Denken und Fühlen beeinflusst. Das hat unter Anderem zur Folge, dass "Nirwana" als himmelsgleicher Ort interpretiert wird und die "Erleuchtung" eben als etwas empfunden wird, was von außen kommt und eben erst meistens am Ende der irdischen Existenz erreicht oder zumindest damit gleichgesetzt wird (vergleichbar mit der christlchen Auffassung vom Eins-werden mit Gott und der Offenbarung/Berührung durch dem Heiligen Geist). Somit stellt man sich eben auch das Ausbrechen aus dem Kreislauf vom Leiden (Samsara), die Erlösung, immer vor unserem kulturellen Hintergrund vor.
Und das selbst dann, wenn man die Prinzipien durchaus intelektuell verstanden hat und sicher annimmt, man hätte sich von althergebrachten, sozial- und kulturbedingten Denkschemata befreit. Am deutlichsten wird dies, meiner Meinung nach auch dadurch, dass Buddha Gautama häufig als erster und/oder der Buddha verstanden und ihm somit unterschwellig ein Gott-Status zugebillgt wird. Dabei ist Buddhismus inhärent atheistischer Natur. Es gibt dort keine Götter.
Es handelt sich also weder um einen Ort (Nirwana) noch um um eine (christliche) Jenseitserfahrung, genauso wenig, wie es sich bei Buddha um eine Person handelt. Beides bezeichnen vielmehr denselben Bewusstseinszustand. Der größte Irrtum liegt allerdings darin, diesen Zustand als Ziel am Ende eines Weges zu verstehen. Die Praxis selbst ist schon das Ziel.
Weitaus treffender ist es, statt von Erleuchtung vom "Erwachen" zu sprechen, der Öffnen des Geistes und der Erlangung von (persönlicher) Erkenntnis.

Wie man sieht, ist eben auch unserer Sprachempfinden doch sehr stark von dem geprägt, was wir tagtäglich ein Leben lang aus unserer Umwelt aufnehmen. Da kann man sich auf den Kopf stellen und noch so beteuern, dass man sich schon längst von bestehenden, eingefahrenen Denkmustern getrennt hat, wenn man ehrlich zu sich selbst ist, und wenigsten das sollte man sein, wird man feststellen, dass dies keinesfalls so sicher ist.

(Wer den vorhergehenden Beitrag gelesen hat, und in Hinblick auf meine Behauptung
"Nach dem Abgrund (darüber eben Daath) beginnt die rein Geistige Ebene, wir verlassen unsere Welt und finden nur noch Jenseitiges/Überirdisches.
Dort liegt eben der Bereich, den man im Buddhismus Bodhi oder Buddha-Natur nennt. Alles und Nichts. All-Sein und Nichtexistenz. Nirwana und nein, nicht der Himmel, jedenfalls nicht in der landläufigen Bedeutung. Nur noch reiner Geist und keine Materie."
denkt ich würde mir hier selbst widersprechen, der muss sich vor Augen halten, dass der Baum des Lebens eben kein exogenes Gebilde darstellt, sondern eben den Menschen in seiner Gesamtheit.)

Warum ich das hier so ausführlich erkläre, hat unmittelbar mit dem Aufhänger des Beitrages zu tun.

«Wenn du dem Buddha begegnest, dann töte ihn!»

Dieses Zitat stammt von Zenmeister Linji Yixuan, von dem auch folgendes Zitat stammt:
"Die Lehre, die zur vollständigen Freiheit führt, ist die unmittelbare Erfahrung und das ist Zen. Kein Lehrer fragt und niemand klärt dich auf. Es gibt nichts zu lehren. Du erleuchtest dich selbst. Versetze dich einfach mit aller Macht in den Zustand, in dem kein einziger Gedanke mehr aufsteigt."
Beide Aussagen gehören thematisch zusammen, weil die letztere die Sinndeutung für die erste bietet und auch erklärt, warum das Ausüben von Zen oft für den "Schüler" problematisch sein kann. Es gibt dort eben keine  Anleitung, keine allgemeingültigen Unterweisungen, keinem festgelegten Weg, den man folgen kann, sondern eben nur Hinweise, wie man den eigenen Weg finden könnte. Alles weitere liegt bei dem Praktizierenden selbst. Einziger Orientierungspunkt sind die Vier Edlen Wahrheiten und der Achtfache Pfad.

So ist auch das Zazen, das Sitzen, nicht nur eine von vielen Meditationstechniken, sondern weit mehr als das, nämlich eine Grundhaltung, die weit über den Akt des Sitzens hinausgeht. Wenn man Zazen praktiziert, dann tut man das immer, egal was man gerade macht oder wo man sich gerade befindet.
Auch hier gilt eben, es ist kein Mittel zum Zweck (die Erleuchtung zu erfahren) sondern Selbstzweck.

Und so sollte man das Leben an sich verstehen. Es gibt kein Ziel zu erreichen, sondern das Leben an sich ist bereits das Ziel.

So ziemlich das erste, was man lernen sollte, nicht nur wenn man Zen praktiziert, ist daher das Loslassen. So wie man beim Zazen eben Gedanken gestattet zu kommen und wieder zu gehen, so sollte man es mit allen Dingen halten, insbesondere was Gefühle und Ziele betrifft. Wenn ich wütend oder traurig bin, dann bin ich eben wütend oder traurig. Diese Empfindungen sollte ich nicht unterdrücken, aber eben auch nicht festhalten. Genauso trifft dies auf Ziele, Wünsche und Erwartungen zu. Egal ob sie mich selbst oder andere betreffen. Man kann sie eine Zeit lang verfolgen, aber dann muss man sich davon auch wieder frei machen.
Zukunft existiert nicht.
Gleiches gilt für die Vergangenheit.
Zwar prägte sie uns, aber sie ist bereits passiert und lässt sich nicht mehr ändern. Daran festzuhalten, was geschehen ist, womöglich darüber zu hadern oder aber auch wehmütig daran zurückzudenken, bedeutet somit an Dingen, Personen und Begebenheiten zu hängen, die so nicht mehr existent sind.
Mehr noch, wenn ich an der Vergangenheit hänge und/oder mein Denken an Zukünftiges hefte, dann sind Körper und Geist nicht mehr im Einklang. Nicht mehr im Jetzt.
Es mag schwer zu verstehen sein, aber es gibt immer nur diesen Augenblick. Nun diesen und wieder einer und so weiter.

Darum fällt es mir persönlich sehr schwer, feste Zusagen zu machen für Aktivitäten, die in der Zukunft liegen. Ich kann zwar im Kalender nachsehen, ob ich Zeit habe und mir einen bestimmten Termin freihalten. Auch planen kann ich und tue es wenn, dann auch genarelstabsmäßig und mit Enthusiasmus. Auch freue ich mich wirklich auf bestimmte Treffen und Vernastaltungen. Aber wirklich wissen, was zu diesem Zeitpunkt ist, kann ich nicht. Weil er eben noch nicht existiert. Und da ich es ablehne, Versprechungen zu machen, eben weil ich nicht weiß, ob ich sie wirklich einhalten kann, kann es vorkommen, dass man mir magelnde Einsatzbereitschaft oder Flexibilität oder fehlendes Interesse vorwirft. Aber auch hier gilt für mich, einerseits nicht an etwas zu hängen, was möglicherweise eintreffen könnte, noch an möglichen Reaktionen meiner Umwelt. Es ist, wie es ist, wenn es ist.
Trotzdem ist es für mich verflucht schwer, nicht doch zu schnell Zusagen zu geben oder mir Gedanken darüber zu machen, wie meine Zurückhaltung bei bestimmten Personen ankommt. Aber wie gesagt, da muss ich durch und wenn ich diesen Zustand nicht festhalte, dann ist er auch nicht von Dauer und bestimmt am Ende noch meine Entscheidungen.

So verhält es sich eben auch mit den unterschiedlichsten Lehren, Philosophien und religiösen Praktiken, aber auch mit eigenen Meinungen und Konzepten, überhaupt mit allem, womit wir uns beschäftigen und was uns interessiert. Uns mag die eine oder andere ansprechen und dann werde wir uns natürlich intelektuell damit befassen. Man liest dann womöglich sehr viel themenbezogene Literatur von den unterschiedlichen Autoren oder wird sich anderswo Informationen und Anleitung suchen.

Wichtig ist dann aber auch wieder, sich von dem Informationen aus zweiter Hand zu lösen und für sich selbst zu "er-fahren". Nicht was geschrieben steht ist von Belang, auch nicht was viele andere schon erfolgreich für sich praktiziert oder erlebt haben, sondern nur, was man selbst daraus für Erkenntnisse zieht. Vom Nach-Denken sollte man den entscheidenden Schritt zum Selber-Denken schaffen.

Darum sehe ich es oft kritisch, wenn man einem religiösen Konzept folgt, über das sehr viel themenbezogenes Schriften existiert. Und dabei meine ich beileibe nicht nur die sogenannten Buchreligionen oder festgelegte Lehren. Auch Entwürfe zu denen eigentlich keinerlei überliefertes und/oder statisches Wissen existiert, wie beispielsweise Hexentum, Animismus und Schamanismus, sind davor nicht gefeit.
Die darüber in Umlauf befindlichen Informationen, sei es durch Hörensagen oder schriftlich niedergelegte Ansichten von Einzelpersonen, werden sehr leicht als Ideal verstanden, nach dem es zu streben gilt.

Natürlich kann es hilfreich für das Verstehen sein, von den Gedanken anderer (nichts anderes sind eben auch Aufzeichnungen generell und über philisophische oder religiöse Themen im besonderen.) Kenntnis zu erlangen und sich damit auseinanderzusetzen und eine Zeit lang daran zu orientieren, aber man darf nicht den Fehler machen, sie als Rezept oder als Fahrplan für den eigenen Weg misszuverstehen und sich stur daran zu halten. Dann geht man nämlich nicht seinen Weg, sondern den eines anderen. Man geht ihn in den Schuhen eines anderen.
Mehr noch: Es kann dazu führen, dass man beginnt in Kategorien von "richtig" und "falsch" zu denken beginnt.
Was für einen anderen gut und richtig ist, muss zwar für einen selbst nicht grundlegend verkehrt sein, aber es kann auch dazu führen, dass man sich den Weg zu den eigenen persönlichen Erkenntnisen verbaut. Es gibt keinen richtigen Weg, ebensowenig wie einen falschen. Der führt höchstens auf Umwege, die aber auch ihren Nutzen haben.
 
Hinzu kommt, dass Worte immer nur einen Teil einer persönlichen Wahrheit vermitteln. Sie sind Hilfsmittel etwas auszudrücken, was, gerade auf dem spirituellen Gebiet, eigentlich nicht auszudrücken ist. Weil Denken nämlich hauptsächlich nonverbal abläuft und das Erlangen von Erkenntnis eigentlich eine Gesamterfahrung von Emotionen, Intuitionen und Ratio/Logik darstellt. Man kann sich noch so große Mühe geben, so etwas in allgemeinverständliche Worte zu fassen, aber dies gelingt eben nur immer bis zu einem gewissen Grad. Dabei bleibt sehr viel unausgesprochen, eben weil es "unausprechlich" im Sinne von nicht in Worte zu fassen ist, vieles fließt auch unterschwellig, zwischen den Zeilen ein, aber da jeder Mensch über eine andere Auffassungsgabe und Wahrnehmung verfügt, liegt es nicht in der Hand des Autors, wie andere seine Worte verstehen.

Es geht eben nicht darum, Er-kenntnisse und Er-fahrungen eines anderen, die man eben sowieso nur unzureichend vermitteln kann, zu folgen und nachzuvollziehen, sondern eigene Er-fahrungen und Er-kenntnisse zu machen.
So meint "Wenn du Buddha begegnest, dann töte ihn!" nicht einem (äußeren) Ideal zu folgen, zu versuchen jemand anders zu sein, sondern nur man Selbst.


Aber es gilt auch noch weitere Morde zu begehen.

To be continue

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