"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Montag, 23. Januar 2012

No Panic! - Ein Gau und das Fazit daraus

Auf Grund von technischen Problemen hatten wir ja gut vier Wochen kein DSL mehr. Die Angaben variierten je nach "Servicemitarbeiter".

Ursache war wohl Anfangs ein erneuter  Brandanschlag unserer ortseigenen Feuerteufel, auf deren Konto mittlerweile schon ein kurz vor der Eröffnung stehender Kindergartenneubau, fast ein ganzes Einkaufzentrum, diverse PKW und dergleichen mehr gehen, der irgendeinen Knotenpunkt mitgerissen hat und das, obwohl seine oder ihre Aktionen sich eigentlich nur auf Müllcontainer beschränken (!)...es erklärt allerdings nicht, warum ausgerechnet bei uns im Haus so lange immer noch nichts ging...

Egal, nachdem es dann auch noch mit dem Notbehelf Webstick zeitweilig Probleme gab, übte ich mich in zenmäßiger Geduld - auch wenn ich beruflich auf dieses verf... Internet angewiesen bin, Ärgern bringt außer Falten und Magengeschwüre ja rein gar nichts - und nahm die Gegebenheit als Anlass - neben der Entscheidung bei nächster Gelegenheit den Provider zu wechseln - für eine Art "Cleaningtime" respektive Kontemplation.

Die ersten Tage waren aber echt hart.

Mal kurz was googeln - Fehlanzeige!

Downloads - Käse!

Nachrichten oder Zeitungen online lesen - Kacke!

Kino-Programm checken - auch Essig!

Stattdessen musste ich mal wieder in meinem Buchregal herum klettern und meine diversen Bücherstapel durchwühlen oder in die Bücherei laufen, wenn ich mal schnell was nachschlagen wollte - nachdem ich mich vorher mit der Problemstellung "Verdammt, wo hab ich das noch mal gelesen?" auseinandergesetzt hatte - nur um dann festzustellen, dass ich den Vorgang nochmals auf der Suche nach Querverweisen und Sekundärliteratur wiederholen durfte, statt einfach nach der Textstellen zu googeln.
Eben wie früher in der Prä-Internet-Zeit. Es ist ja nicht so, als würde ich das nicht auch mit DSL machen und es nicht auch lieben, in einem Haufen aufgeschlagener Bücher zu hocken, um einer Frage nachzugehen, aber nur "offline" ist das alles doch mit ein wenig mehr Aufwand verbunden.

Sowieso, mir ist jetzt erst wirklich aufgefallen, wie sehr sich das Verhalten verändert, wenn man eine DSL-Flat hat bzw. nicht ständig  Zugriff auf den Daten-Highway mit seiner schier unerschöpflichen Informationsvielfalt.

Aber mir hat es schon vor dieser Zwangspause missfallen, wie abhängig man sich mit diesem  Zwang ständig "verbunden sein" und "auf dem Laufenden sein" zu müssen macht, und wie unruhig man dadurch wird. Man konzentriert sich nicht auf die eine Tätigkeit, der man sich gerade widmet, sei es lesen, schreiben, Filme gucken oder was auch immer, sondern das Internet ist im Hintergrund und auch im Unterbewusstsein immer irgendwie präsent.

Ich kenne dieses Phänomen noch aus der Zeit, als mein Mann noch lebte, bezüglich TV-Verhalten.
Das Erste, was er machte, wenn er nach Hause kam, war, nach der obligatorischen Begrüßung, den Fernseher einzuschalten, einerlei ob etwas interessantes kam oder nicht, und dann lief das Teil als permanente Hintergrunduntermalung, bis man ins Bett ging.
Dieses Verhalten machte mich damals schon wahnsinnig, auch wenn es mir dabei half zu lernen Störfaktoren einfach auszublenden.

Mein Vater zeigt übrigens dasselbe Verhalten, aber da meine erste Handlung, wenn ich zu ihm komme darin besteht, noch bevor ich ihn begrüße (!), ins Wohnzimmer zu schlappen und die Kiste auszumachen, und er nicht so ganz unreflektiert handelt, fragt er mittlerweile schon nach, ob jemand das augenblickliche Programm sehen will oder ob er ausschalten soll.
Bei Telefonaten mit ihm ist meine obligatorische Begrüßungsformel deshalb auch "Hi, Vatter, ich bin's!  Mach' mal eben den Fernseher aus!" (abgesehen davon, dass er mittlerweile auf Grund seines Alters etwas schwerhörig geworden ist und den Ton der Kiste eben dementsprechend laut gestellt hat und ich keinerlei Lust verspüre, dagegen anzubrüllen, er ist auch ein Meister im Ausblenden. Nur er blendet eben manchmal das "andere" Störfeld aus ... womit ich ja auch leben könnte, wenn es nicht bisweilen bedeuten würde, das gewisse wichtige Infos den "Empfänger" nicht erreichen. ^^ )
Was er noch nicht ganz aufgegeben hat, ist der Versuch mit mir das Programm vom Vorabend oder Werbeinhalte diskutieren zu wollen - ein Unterfangen, was in zweierlei Hinsicht fruchtlos ist, da unsere Vorlieben und Gewohnheiten sich diesbezüglich doch sehr unterscheiden - aber er arbeitet dran. ;)

Viel anders ist es mit "dem Internet" ja auch nicht.

Apropos Fernsehen:

Da auch unser Fernsehanschluß übers Internet läuft, fiel das eben auch erstmal flach.  Glücklicherweise schauen wir  sowieso sehr wenig fern, bis auf  zwei, drei Serien, die sich alle ohnehin auf zwei Tage in der Woche und auf zwei Sender beschränken. Da wir ohnehin mindesens 50 % davon bereits im englischen Original gesehen haben, wäre auch ein kompletter Totalausfall kein Drama gewesen, allerdings verfügen wir  ja immerhin noch über einen herkömmlichen Kabelanschluss.
Also Scartanschluss vom Decoder raus, Antennenkabel rein in das TV-Gerät.
Zwar standen uns so statt 91 Programmen, die wir nicht nutzen,  nun nur noch so um die 50 zur Verfügung, aber diesen Verlust kann man verschmerzen.
Blöd war einzig, dass unser DSL-Decoder auch gleichzeitig ein Festplattenrecorder ist und wir so nicht mehr, wie es sich eingebürgert hat, "unsere" Serien aufnehmen konnten und sie unmittelbar nach Beendigung als Aufzeichnung anzuschauen, wobei wir allerdings die Werbung elegant vor spulen und somit dieser Gehirnerweichung auch entgehen und auch nicht mehr im laufenden Programm mal eben anhalten konnten, um uns etwas zu essen zu holen oder auf's Klo zu gehen, ohne etwas zu verpassen.

Wenn in dieser Zeit etwas kam, was man sehen wollte, dann musste man es eben dann auch gucken. Wenn man dabei eine menschliche Regung verspürte, musste man entweder warten, oder aber riskieren, die möglicherweise unglaublich wichtige, weil alles erklärende Schlüsselszene zu verpassen.

Auch dies hat eben auch viel mit Zen bzw. Dao zu tun! *g*

Allerdings weiß ich auch jetzt wieder, wozu die Werbeunterbrechungen früher gut waren...

Aber mal ehrlich, man muss auch nicht permanent den Email-Client, Messenger oder gar "sein" Social Network im Hintergrund laufen haben, nur um über jede neue Nachricht oder jeden veränderten Status sofort informiert zu werden. Es mag ja eine Zeit lang ganz nett sein, aber wie beim Handy nervt mich diese permanente Erreichbarkeit schon eine ganze Weile. Es ist schlicht nicht mein Wille, ständig "verfügbar" zu sein und so nehme ich mir die Freiheit auch nicht immer verfügbar für alles und jeden zu sein. (siehe hierzu "Wenn ich telefonisch nicht erreichbar bin..." vom Februar dieses Jahres).

Deshalb bin ich ja kein ungeselliger Eremit und schon gar kein Soziopath, wie mir mal vorgeworfen wurde, nur weil ich nicht bei jeder neuen Tragödie in der Menschheitsgeschichte in das kollegtive Mitleiden und Wehklagen einstimme. Ich halte mich mit den dämlichen Mitleidbekundungen auch und gerade bei tragischen Vorfällen sowieso zurück, insbesondere wenn es Menschen betrifft, die mir nahe stehen. Erstrecht muss ich meine Anteilnahme nicht per Social Network in die Welt hinaus blasen. Für mein Mitgefühl brauche ich kein Publikum!
Ich bin für sie da, ich höre zu, wenn sie ihr Herz ausschütten wollen, gebe auch gerne Rat, fühle mit ihnen. Aber gerade das hält mich auch dann davon ab, ihnen mit meinem Mtleid auf den Keks zu gehen, denn das hilft in solchen Fällen den Betroffenen am allerwenigsten.
"Mitleid ist für die Schwachen!"

Aber das ist nun wirklich ein anderes Thema...


Nun gut, jedenfalls habe ich aus der Internetgeschichte etwas sehr Positives für mich mitgenommen.

Natürlich ist es eine unendliche Erleichterung, mal eben kurz was nachschauen zu können, wohingegen das Recherchieren offline sich schon etwas schwieriger gestaltet.
Auch das Kontakthalten untereinander wird erleichtert.
Aber mal ehrlich, wenn ich von jemandem nicht mehr als die Email-Adresse, den Nickname und die unterschiedlichen Internet-Plattformen, auf denen er zu finden ist, kenne, dann kann es mit der Nähe zu dieser Person auch nicht so gut bestellt sein.

Ich will die Möglichkeiten des Internet auch gar nicht schlechtreden.
Aber es hat eben, wie jedes Ding, auch Schattenseiten. Und dessen muss man sich bewusst sein!

Hinzu kommt, dass ich mittlerweile schon soweit bin,  wenn wieder ein Tag zur Neige geht, ich erstaunt feststelle, dass ich nicht einmal online war und dies, ohne etwas wesentliches vermisst zu haben - ein Zustand, der für mich vor dem Ausfall, wenn schon nicht undenkbar, so doch höchst selten war.

Mein Fazit lautet daher:
Nach dem Maßstab, den ich schon bei vielen anderen Dingen seit etwa 15 Jahren anlege - "Brauche ich das wirklich?" und so eine Kosten-Nutzen-Rechnung aufmache, um dann erst zu einer Entscheidung zu kommen - werde ich meine Internetpräsens zukünftig bis auf das absolut Notwendige stark reduzieren, so wie ich mich schon in den letzten zwei Jahren aus Foren und Networks und dem damit verbundenen "Jahrmark der Eitelkeiten" weitgehend zurückgezogen habe und mich auf das für mich Wesentliche beschränken.

Ich lasse mich nicht gerne zum Sklaven machen, ob es sich nun um Normen, Konventionen oder eben auch (unendliche) Möglichkeiten handelt und obschon ich mir darüber im Klaren bin, dass wir alle gewissen äußeren Zwängen unterworfen sind, so habe ich es doch in der Hand, im Rahmen meiner Möglichkeiten zu entscheiden, welche vermeidbaren Fußfesseln ich mir zusätzlich anlegen lasse oder sie mir gar selbst anlege.
Und zur Zeit bindet mich das Internet eben mehr, als das es zu meiner Auffassung von persönlicher Freiheit beiträgt.

Das wird sich sicher auch wieder ändern, aber zu diesem Zeitpunkt fühlt sich diese Entscheidung genau richtig an.

Ich werde sporadisch immer mal wieder rein schauen, wahrscheinlich auch etwas schreiben und bin ja nicht aus der Welt, aber eben nicht mehr ständig präsent sein.


In dem Sinn bis auf weiteres: "So long and thank you for all the fish!"