"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Sonntag, 7. Februar 2010

Gedanken zum gescheiterten Indizierungsantrag der neue NPD-Schulhof-CD

Manchmal denke ich mir wirklich, ich bin im falschen Film.
Einerseits möchte man das Internet für Kinder und Jugendliche am besten ganz wegsperren (s. Vorbeugende Maßnahmen), weil die Inhalte ja ganz böse Folgen auf die die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit haben könnten und die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert jeden Mist, wie das neue Rammstein-Album "Liebe ist für alle da" (ratet mal auch wessen Antrag *fg* Sie war es auch, die versucht hat, auf diesem Weg "Das Kleine Ferkel" aus dem Verkehr zu ziehen, leider vergeblich. *g*), Andererseits sieht genau diese Bundesprüfstelle keine Handhabe gegen die neue Schulhof-CD, die die NPD so gern an Jugendliche verteilt, um sie ideologisch zu aufrechten Deutschen zu polen, wie gestern N-TV in ihrem Artikel "Indizierungsantrag scheitert: Nazimusik auf Schulhöfen legal" berichtete.
"Die Leiterin der Bundesprüfstelle, Elke Monssen-Engberding, sagte der Zeitung, dies sei die erste Entscheidung der Prüfstelle über eine Musik-CD der NPD. Die Begründung liege allerdings erst in der nächsten Woche vor."
Auf die Begründung bin ich aber mal gespannt.

Klar, Indizierung heißt ja nicht, dass die indizierten Medien dann verboten sind, sondern lediglich nur nicht mehr öffentlich beworben und nur an volljährige Personen nach Altersverifikation abgegeben werden dürfen.
Aber im Falle eben dieser bescheuerten CDs wäre das ja mal ein entscheidender Vorteil, da sie ja von den Rechtsextremen, und dazu zähle ich die NPD, eben zum Zwecke der Mitgliederakquise an Minderjährige kostenlos verteilt werden.

Gut, man könnte jetzt einräumen, dass so eine Indizierung einerseits eine super Werbung ist und zudem die Antihaltung gegen diese Schulhof-CDs ihr eine überzogene Bedeutung beimisst und sie somit für pubertierende Jugendliche in ihrer entwicklungsbedingten Renitenz gegen noch so gute Argumente erst richtig interessant macht.

Dem muss ich sogar zustimmen.
Allerdings habe ich mir zwei dieser Machwerke mal gegeben, sprich, ich habe sie mir besorgt und angehört, weil ich mir selbst ein Bild machen wollte.
Ehrlich gesagt, ich konnte gar nicht so viel essen, wie ich nach dem "Genuss" der Schulhof-CDs 2004 und 2006 kotzen musste.
In einer Mischung aus (Rechts-)Rock und getragenen Balladen wird den Kids klar zum Ausdruck gebracht, wie schlecht es doch um Deutschland steht und wie beschissen(sorry!) und intolerant doch der "Rechtsstaat" ist.
Es wird auch viel vom Kampf um die Freiheit gesungen.
(Liebe Leute, bitte mal nachdenken: Wer glaubt, das es der NPD oder sonst einer Rechtsextremen Gruppierung um Werte wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit  Kameradschaft ginge, der darf mal ganz intensiv darüber nachdenken, wie das Herausgeben von Namen und Adressen sogenannter "politischer Feinde", also Leuten, die sich offen gegen rechts aussprechen, auf Blacklists, inklusive unterschwelliger "Lösungsansätzen", dazu passt. Kann sich jeder selber ausrechnen, was erst passieren würde, sollten die "Rechtskonservativen" mal wieder an die Macht kommen. Die Frage, ob dann auch noch dieselben Politischen Gegner offen ihre Meinung kundtun dürften, mit Demonstrationen oder Kundgebungen, wie es heute ja auch die Rechten dürfen, erübrigt sich da ja wohl ebenfalls.  Aber das ist ja auch wieder nur blödes "Gutmenschengelaber", "politicle correctness" und "Systempropaganda".)

Besonders ätzend empfinde ich jedoch die Balladen.
Eingängig mit leicht weinerlichem, anrührendem oder pathetischem Unterton. Am ärgerlichsten sind, meiner Meinung nach, die Lieder, in denen irgendwelche deutschen "Muttis", in einem Fall Anette, die "für Deutschland einen Sohn geboren" hat,  mit getragenen Stimme von ihrem "harten Überlebenskampf" mit ihren "blonden Kindern" singen, natürlich gegen irgendwelche Anderen, die vom Staat alles hinten rein geschoben bekommen, natürlich ohne Eigenleistung und deren Kinder offenkundig bevorzugt werden. Zwar wird es nicht näher beschriebenen, aber es wird doch recht offenkundig, dass es sich dabei um Mitmenschen mit Migrationshintergrund handelt.
Diese Lieder gehen, völlig beabsichtigt, bei so manchem, besonders wohl  "deutschen Müttern" oder aber "deutschen Söhnen", von den Ohren direkt ins Herz, ohne überflüssige Umwege über das Gehirn (sofern vorhanden). 


Der Oberhammer war eine deutschnationale Interpretation von "White, Orange und Green", "Das Mädel mit der Fahne"...Schauplatz 1945 in Hamburg, "im Mai '45, als der Feind im Reich stand", Protagonisten diesmal ein "Mädel mit der Fahne vom deutschen Reich". Den englischen Soldaten, haben sie vom Original übernommen.
Mal ganz ehrlich, wer den Freiheitskampf der Iren gegen die Engländer mit der Besatzungszeit in Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges vergleicht, sollte sich mal untersuchen lassen. Oder sich über die   Geschichte der englischen Besetzung Irlands wenigsten ansatzweise informieren und dabei gleich mal solche Begriffe wie "Black and Tans" oder "Bloody Sunday" nachschlagen. (es gibt für diejenigen, die es mit dem Lesen nicht so haben, auch sehr gute Dokumentationen dazu.)


Das Problem sind aber nicht wirklich die Lieder, sondern eben, dass darin unterschwellig eine Botschaft an die Jugendlichen gebracht wird, nämlich, dass der Deutsche an sich (wer immer das sein soll) im eigenen Staat als rechtlos und unterdrückt gilt, von "Den Linken", "den Ausländern", "den Gutmenschen", "dem System".
Was ein Erwachsener mit einem Mindestmaß an Bildung und somit Kenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge schnell als das entlarvt, was es ist, eben kaum verschleierte Manipulation, wird ein Jugendlicher, der ja entwicklungsbedingt sowieso schon eine konträre Einstellung gegen hergebrachte Konventionen einnimmt, sich ohnehin unverstanden, ungeliebt und verfolgt fühlt, nicht so leicht durchschauen. Ihm bietet die NPD mit ihren ideologischen Winkelzügen einfache Gründe und ebenso einfache Lösungsansätze. "Die sind Schuld, also komm zu uns."
Hinzu kommt, dass kaum jemand aus der heutigen Generation der Jugendlichen und jungen Erwachsenen noch jemand im Familien- oder Bekanntenkreis hat, der Drittes Reich und den Zweiten Weltkrieg noch selbst erlebt hat. Diese Generation stirbt langsam aus. Also kann den Jungen auch kaum noch jemand sagen, wie es wirklich war. Sie sind auf Quellen aus zweiter und dritter Hand angewiesen. Es ist aber ein himmelweiter Unterschied, ob einem Eltern oder Großeltern von der Euphorie und der späteren Ernüchterung berichten, als sie begriffen, dass sie nur benutzt und ihrer Jugend beraubt wurden, mit den gleichen Phrasen, die auch heute noch vom rechten Spektrum verwendet werden, oder ob man das von einem Unbekannten hört oder in irgendeinem Buch liest.
Außerdem lässt der Mangel an Augenzeugen einen großen Spielraum für Legendenbildung und Lügengebilde.

Dennach erfüllten zumindest die Schulhof-CDs 2004 und 2006, und nur für die kann ich sprechen, da ich die aktuelle Ausgabe nicht kenne, für mich durchaus die Voraussetzungen für eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle, wenn man sich nach deren "Wegweiser Jugendmedienschutz" richtet.
"Jugendmedienschuzt hat die Aufgabe, Einflüsse der Erwachsenenwelt, die dem Entwicklungsstand der Heranwachsenden noch nicht entsprechen, von Kindern und Jugendlichen fern zu halten und diese so bei ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Die Jugendmedienschutzinstitutionen beurteilen Medieninhalte dahingehend, ob sie jugendgefährdend oder jugendbeeinträchtigend sind. Die Entscheidungen haben zur Folge, dass bestimmte Medien Kindern und Jugendlichen nicht zugänglich gemacht oder nur unter bestimmten Altersgruppen verbreitet bzw. zu einer bestimmten Sendezeit ausgestrahlt werden dürfen."
Aber, dass es sich dabei ja einerseits um ein zweischneidiges Schwert handelt, andererseits die Vermutung nahe liegend ist, dass die Entscheidung über eine Indizierung auch immer etwas mit der Tatsache zu tun haben könnte, wer da den Antrag stellt und unter welcher Prämisse (ja, ich bin böse!), wälzt man die Verantwortung also in diesem Fall an die Schulen ab.
Nur so nebenbei, auf Schulhöfen ist die Verteilung der NPD-Schulhof-CD sowieso schon untersagt. Darüber, was außerhalb der Schulhofgrenzen passiert, hat keine Schule eine Handhabe.
Ähnlich dürfte es mit Jugendclubs aussehen.

Was könnte man also tun?

Eine mir sehr wirksam erscheinende Maßnahme wäre, sich einer solchen CD einmal im Rahmen des Unterrichts anzunehmen, sie sich anzuhören und die Texte inhaltlich und auch hinsichtlich der emotionalen und psychologischen Wirkung zu analysieren.
Kinder und Jugendlich müssen einfach lernen, auf was man achten sollte, und wie unterschwelige Manipulation und somit jede Art von Propaganda funktioniert.

Aber das ist fast schon illusorisch. Wenn bekannt würde, dass man eine Rechte CD bespricht, kämen bestimmt aus allen Ecken Lehrer, Eltern und  sich berufen fühlende "Anti"-Menschen und blümchenwerfende Sozialpädagogen gerannt und würden Zeter und Mordio schreien.

Das ist nämlich das eigentlich Problem.
Man kann Themen wie Rechte Ideologien und die Funktionsweisen des Nationalsozialismus einfach nicht sachlich und emotionslos diskutieren.
Das ist aber, meiner Meinung nach, der Hauptgrund, warum die Rechten mit ihrer Ideologie immer noch so großen Erfolg haben und teilweise offene Türen einrennen.

Einerseits, weil  Nationalsozialismus und Neonazitum nicht ausreichend oder auf die falsche Weise  thematisiert werden, nämlich entweder so, als als spräche man über - sorry - Masturbation (über sowas redet man nicht und wenn dann hechelt man das Thema durch und ist froh, wenn man es hinter sich hat) oder es werden bis zum Erbrechen nur Namen, Zahlen und Daten runtergerasselt.
Aber darüber, was die damalige Bevölkerung  empfand, als nach einem verlorenen Weltkrieg (die "Schmach von Versailles"), Weltwirtschaftskrise und Depression plötzlich eine Partei mit einfachen Lösungen für alle Probleme und einem einzigen Ziel, Deutschland wieder "zu seinem Recht" zu verhelfen, auftauchte, darüber wird nicht gesprochen.
Es werden nie Texte und Reden, wie zum Beispiel die Legenden umwobene "Sportpalastrede" angehört und analysiert und somit entmystifiziert, und über "Mein Kampf" wird viel geredet, aber kaum einer kennt diese Machwerk und somit seinen Inhalt wirklich.
Allen Gerüchten zum Trotz, lediglich der Verkauf bzw. der Erwerb. der Originalausgabe ist in Deutschland  verboten, nicht der Besitz und schon gar nicht das Lesen (wie ein besonders sinniger Lehrer meines Sohnes meinte).
Bei den erhältlichen Ausgaben handelt es sich um dokumentierte Exemplare, wobei die Dokumentationen zwar hilfreich sind, aber eben den Fluss des eigentliche Inhaltes, ohnehin nur in Auszügen enthalten , zu oft unterbrechen, sodass  der Zusammenhang und somit das ganze Ausmaß der Gedankenwelt des Mannes, der Jahre später Deutschland in den moralischen und finanziellen Ruin stürzte, nicht wirklich so erfasst und begriffen werden kann, wie in dem Original.

Und die beste Methode, um die Verbreitung nationalsozialistischen Gedankengutes zu verhindern, ist und bleibt die reichliche Lektüre von "Mein Kampf", da muss ich Theodor Heuss unbeschränkt recht geben..

Aber so lange man immer noch denkt, durch die Lektüre allein würde man automatisch zum Nazi, so lange man der Meinung ist, man sollte besonders der Jugend vermitteln, dass das, was damals in Deutschland passierte nur auf die Kosten einiger weniger verirrter Seelen oder gar Verbrecher geht, so lange man die Suche nach den Ursachen immer noch nur auf die Schuldfrage reduziert, so lange arbeitet man den Rechten Kohorten in die Hand.
Dinge, über die man nicht spricht, schwindet ja nicht einfach. Vielmehr entwickeln sie oft ein unerwünschtes Eigenleben.
Tabu und Verbote fördern nicht nur in unerheblichem Maße die, bereits erwähnte, Legendenbildung, sie begünstigen auch Opferhaltung und Märtyrertum, wie man es immer wieder in der Argumentation und Propaganda der Rechtsradikalen findet.

Es ist bei der Vermeidung, dass immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene sich der Rechten Szene anschließen, auch nicht besonders hilfreich, gleich jedesmal "Nazi, Nazi!" zu schreien, wenn sie ihre Gedankengänge von "Nationalstolz" und "Patriotismus" zum Ausdruck bringen oder sich eine Zeit lang Nazi-Mucke anhören.
Tut man das ständig, treibt man sie den Rattenfängern ja fast in die Arme, denn sie werden sich natürlich dann dort ihre "Freunde" suchen, wo sie nicht ständig angegangen fühlen, wo sie Bestätigung finden und ihre Meinung dem Standard entspricht. Und dort werden sie dann weitere Indoktrination erfahren.

Besser wäre es, das Gespräch zu suchen, sie zu fragen, wieso sie so denken und sachlich und ohne moralischen Zeigefinger mal über die ganzen Fehlinformationen und Gerüchte, die in Bezug auf die jüngere deutsche Geschichte und die ganzen Begrifflichkeiten, die man gemeinhin mit Nazitum in Verbindung bringt, zu reden.
Wenn man ihnen nämlich vermitteln würde, dass man ihnen wegen ihrer Gedanken nicht gleich die Rübe abreißt, dann würden sie vielleicht eher etwas von den Gegenargumenten annehmen, als wenn man sie gleich in die Rechte Ecke stellt und davon jagt.

Just my 50 cent...

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