"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Dienstag, 24. Juni 2008

"Aufklärer" und warum, die es besser lassen sollten!

Ich war gerade dabei, auf Aneas Kommentar

Wenn man bei Google
Liber OZ
sicht, kommt das .... habe den Text aber nicht wirklich verstanden

http://www.aufklaerungsgruppe-krokodil.de/Sat_Deutsch2.pdf

zu antworten, habe dabei aber festgestellt, daß dies glatt den Rahmen des Kommentarfeldes sprengen würde und das Thema außerdem auch zu wichtig ist, als in den Kommentaren unterzugehen, also mache ich das mal als Blogeintrag.


Hallo Aneas,

Ich mußte den Text auch zweimal lesen...*g*

Ich finde den Titel "Fallbeispiel über den Satanismus in Deutschland" irgendwie lustig...(ich habe einen sehr merkwürdigen Sinn für Humor, ich weiß...)

Was da nämlich beschrieben wird, ist ja wohl eher eine verkrachte Kindheit in Deutschland (die Aussagen des 15-jährigen erinnern mich eher an "Claudi666", als einen ernsten Satanisten, bestärkt mich allerdings in meiner Meinung, daß gerade Satanismus so gar nichts für "unreife", "ungefestigte" Jugendliche ist.

Verstanden hat der Kleine jedenfalls nicht, was er da gelesen hat.

Paßt auch alles sehr gut ins Bild: Er wettert gegen die Christen, wirbt für eine ominöse Satanistenpartei, hört "bösen" Metal und wenn ich mich jetzt nicht schwer irre, dann trägt er trve-evil schwarze Klamotten und hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Petri-Kreuz um den Hals...etc.

Sachbeschädigung und Rumlungern auf Friedhöfen rumfuhrwerken, mit Quijabrettern oder anderen Foci zur Devination oder zum Geisterbeschwörung (hier bitte gruselige Musikuntermalung vorstellen!) gehört ja da schon fast zum guten Ton, wenn mal trve sein (und meist keine Ahnung hat, was man da eigentlich tut) will....*ironie*

Wer sich mit dem Heidentum (TM) befaßt und dadurch auch in diversen Foren unterwegs ist, kennt diese jungen "Einsteiger" zur Genüge, die um einen neuen Weg einzuschlagen erstmal alles alte, eingefahrene, besonders dann auch das, meist im Elternhaus oder dem sozialen Umfeld mehr oder weniger verherrschende Christentum als total scheiße und als "Grund für alles Übel" verteufeln ( man bemerke die feine Spitze *lach*) .
Sie brauchen das anscheinend, um sich abzugrenzen, selber neu zu definieren, und normalerweise gibt sich das mit der Zeit.

Was nun den beschriebenen Fall betrifft, ich find's traurig!

Der Junge scheint das Teenager-Konzept "Spießer-Schocken" etwas übertrieben zu haben und ich hoffe für ihn, daß er durch seine Internetpräsenz mal an Leute gerät, die ihn darüber aufklären, daß er bei seiner Auslegung all dieser Schriften, die er konsumiert (von lesen und begreifen kann man hier nicht sprechen!) schwer auf dem Holzweg ist.

Ich kenne die meisten der angeführten Schriften, und bin doch ziemlich platt, was der Junge da alles herauszieht, wie es aussieht, ohne Anleitung oder konstruktiver Diskussion über die Inhalte mit älteren, erfahrenen Personen...mir kräuseln sich gerade die Fußnägel.
Allerdings erinnert mich das doch stark an die Zeit, als Castaneda so groß in Mode war und jeder Depp dachte, es bräuchte bloß einen Meskalin-Trip um zur "Erleuchtung" zu finden.

Auch verstehe ich nicht ganz, warum die Mutter sich nicht schon im Interesse des Sohnes eingehender mit der Materie befaßt.
Nennt mich blöde und, okay, irgendwo da steht ja, daß sie arbeitsmäßig wenig Zeit hat, aber wenn ich zum Beispiel "merkwürdige" Gegenstände oder Bücher mit "ominösen" Titeln bei meinen Kindern sehe, die ich nicht einordnen kann, dann frage ich doch erstmal diese, was das denn ist, und wenn ich keine befriedigende Antwort erhalte, mache ich mal selber schlau...

Und okay, allein das Wort "Satanismus" schreckt ja schon viele ab, aber, öhm, ist das jetzt eine Entschuldigung für Desinteresse oder gar Ignoranz, besonders was den Nachwuchs angeht?
Und entgegen anders lautenden Gerüchten, man kann auch mit verstockten Teenagern reden, wenn man ihnen klar macht "Ich nehme dich und deine Aussagen ernst, auch wenn ich sie nicht teile!"

(Wichtig!
Da die Aussagen des jungen Mannes hier ja nur bruchstückhaft und in einer bestimmten Absicht zitiert werden, bezieht sich meine persönliche Meinung zu ihm und seiner Auffassung eben nur auf das, was ich da lese. Ich kann ihm ja auch Unrecht tun...)


Was ich mich bei der Lektüre dieser "Aufklärungs-Broschüre" allerdings die ganze Zeit frage, was hat nun der Verstoß gegen das BTMG (durch den versuchten Erwerb der Pilze) und die damit einhergehenden Ermittlungen eigentlich mit "Satanismus" zu tun, oder mit dem womit sich der Beschuldigte in seiner Freizeit beschäftigt?

Keine Frage, Drogen gehören nicht in Kinderhände, aber dazu gehören für mich auch z.B. Alkohol, Ecstasy oder Marihuana oder vergleichbares und illegal bleibt illegal, egal wie alt man ist.

Aber ich kann mir jetzt nur mit Mühe vorstellen, daß ein Jugendlicher, der beim Erwerb von, z.B. Shit erwischt wird, gleich bei der Vernehmung seine Lebensgeschichte erzählen muß, einschließlich seines Musik- und Literaturgeschmacks.

Oder, anderes Beispiel, wenn da eine kleine "Bitch" zum dritten Mal nach dem Koma-Saufen ins Krankenhaus eingeliefert wird...


Was nun diese "Aufklärungs-Broschüre" an sich betrifft...ich sag's mal mit den Worten Erich Maria Remarques "Im Westen nichts Neues..."

Wieder wird alles in einen Topf geworfen, kräftig umgerührt und dann als "uh, uh, böse, böse" auf die geneigte, von der Thematik vollkommen unbeleckte Leserschaft losgelassen, die, was sie da liest, gleich als bare Münze hält und sich in dem (Un-)Glauben bestärkt sieht, daß alles was anders, nicht-mainstream, gar heidnisch ist, gleich was mit Teufel, Sekte, Jugendgefährdung oder was auch immer, zu tun hat.

Das gibt es noch gerade im WorldWideWeb noch viel schlimmere Auswüchse als dieses hier zu bestaunen (ich such bei Gelegenheit mal einige raus) Auch immer schön sind die Seiten der kirchlichen Sektenbeauftragten!
Ich frage mich ja immer, wenn ich sowas lese, ob die Verfasser sich auch nur einmal die Mühe gemacht haben, sich mit dem "Teufelswerk", das sie da verdammen, persönlich und konstruktiv auseinanderzusetzen... ist jetzt eine rein rhetorisch Frage, mittlerweile denke ich, sie schreiben nur immer wieder untereinander ab...

Wohl dem, der selber einen Kopf hat zu denken!

Nur mal so ein paar Kleinigkeiten aus der Broschüre, die mich immer noch etwas nerven, auch wenn ich mir mit den Jahren ein ziemlich dickes Fell zugelegt habe...*gähn*

Crowley war nie Satanist! Magier, Possenreißer, Philosoph, Schwindler, meinetwegen auch Arschloch, aber eben nie Satanist!
Crowley selbst sagt ja:
"All this black magic stuff is 75% nonsense and the rest plain dirt.
There is not even any point to it."
19.11.1943

Was mir immer bei diesen "Aufklärern" sauer aufstößt, wenn sie denn auf Crowley und Thelema abzielen, ist, daß sie ständig, und ich unterstelle dabei mal dreist Absicht, das zentrale Gesetz Thelemas aus dem Liber Al vel Legis, wenn nicht falsch, so doch unvollständig, was meiner Meinung nach noch schlimmer ist, zitieren.

In dieser Broschüre auch wieder:
Zitat:
"Im Kapitel unter „Thelema“ verhehlt der Verfasser nicht, welche Gebote „Thelema“ hat : EINES und
das lautet: „Tu was Du willst soll sein das Ganze des Gesetzes.“
Und es heißt weiter: „Das ist alles. So einfach ist das.“ "
In der Tat heißt es aber:

"Do what thou wilt shall be the whole of the Law."AL I:40
"thou hast no right but to do thy will. Do that, and no other shall say nay."AL I:42-3
"Love is the law, love under will." AL I:57
"Every man and every woman is a star."AL I:3

There is no god but man.

Übersetzt:

Tu, was du willst, sei das ganze Gesetz.
Du hast kein Recht, außer tu, was du willst. Tu dies, und niemand soll nein sagen.
Liebe ist das Gesetz, Liebe unter Willen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.



Immer wird im Thelema das "Tu, was du willst" durch das "Liebe ist das Gesetz!" ergänzt! Immer!


Und das ist schon ein gewaltiger unterschied, zumal dieses "Tu was du willst" nicht bedeutet "Tu was dir gerade in den Sinn kommt", sondern eben nach dem Gesetz der Liebe, hier als Agape gemeint und "Liebe unter Willen" meint keinen Zwang, sondern eben den Wahre Willen, den Kern, der in jedem von uns sitzt, quasi das Ziel all unserer Bestrebungen, auch und besonders der unbewußten, zu leben unter der Berücksichtigung eben des Aspekt der Liebe ohne das man eben wieder aus lauter Liebe den Wahren Willen vergißt!

Und den muß man erst einmal herausfinden, nach dem Motto, wo will ich hin, was will ich wirklich mit diesem Leben?
Und dann macht auch der letzte Satz aus dem Zitat einen Sinn: „Das ist alles. So einfach ist das.“

Aber es ist von mir wahrscheinlich etwas viel verlangt, daß sich die "Aufklärer" mal von der Seite dem Thema nähern...man sitzt ja schon als aufgeklärter Mensch vor dem Liber AL und kriegt bisweilen Kopfschmerzen...*g*

Aber dann würden sie wahrscheinlich über diesen Satz stolpern:

"For pure will, unassuaged of purpose, delivered from the lust of result, is every way perfect." AL I, 44
(Übers. : "Denn reiner Wille, unbefleckt von Zweck, erlöst vom Gelüst nach Ergebnis, ist in jeder Weise vollkommen.")

Und der paßt wohl nicht ganz in die so gern zitierte Auslegung der Kritiker von "Tu, was du willst"...


(Tip: Wenn man sich mit den Schriften Crowleys befassen möchte, sollte man sich, wenn sprachlich machbar, immer die englischen Originale zu Gemüte führen. Nichts gegen die Übersetzungen, aber ich finde, beim Übertragen vom Englischen ins Deutsche geht zwangsläufig ein Teil des Sinns verloren!)


Apropos:
Sehr zu empfehlen, wenn man sich näher mit der Person Aleister Crowley beschäftigen möchte ist die Biografie

Michael D. Eschner Marcus M. Jungkurth
Aleister Crowley
DAS GROSSE TIER 666

Psst...gibt's im Web auch irgendwo als Ebook...


La Vey
, der sich im übrigen bei seiner Satanischen Bibel sehr großzügig bei Aleister Crowleys Schriften bedient hat, ohne jedoch den Aspekt der Agape (Hingebung, Liebe) in seinen Satanismus mit einzubeziehen, und seine "Church of Satan" sind durch und durch atheistisch und haben deshalb auch mit Teufelsanbetung absolut nichts zu tun (Merke! wer die Existenz einer wie auch gearteten Göttlichkeit ablehnt, lehnt auch logischerweise den ollen Ziegenbock ab!)

Ich persönlich lehne für mich den LaVeyschen Satanismus ab, ist nicht meins...

Das einzige, was beide, Thelema und La Veys Satanismus gemeinsam haben ist die Vergöttlichung des Menschen!
Was daran nun so furchtbar sein soll, möge mir bitte mal jemand sagen, außer vielleicht, daß es voraussetzt, daß der Mensch selber die Verantwortung für sein Handeln tragen muß...da gibt es dann keine Entschuldigungen oder Ausflüchte mehr.

Naja, über den Rest schweige ich lieber, ich reg mich nur wieder auf, und das tut meinem Blutdruck gar nicht gut…


Wie gesagt, mich erinnert dieses „Fallbeispiel“ zu sehr an Claudi666 (viel Spaß bei der Lektüre!) und hat mit Satanismus oder Thelema so viel zu tun, wie Schweine mit dem Weihnachtsmann (wenn jetzt jemand mit Terry Pratchetts „Hogfather“ kommt, schreie ich! *lach*)


Mir tut der Junge leid, er scheint sich sehr einsam und hilflos zu fühlen…


1 Kommentar:

  1. Diese Geschichte eine jungen "Satanistin" ist übrigens eigentlich ein alter Witz, eine Art "Prarodia"

    privet Luczezar

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