"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Dienstag, 1. Dezember 2009

Zum heutigen Welt-AIDS-Tag 2009

Im Grunde mag ich keine Welttage. Weder für Aids, noch für Krebs, Frauen- und Kinderrechte, Anti-Rassismus, gegen Hunger oder was es sonst noch gibt.

Es mag sich ziemlich hart anhören, aber meiner Auffassung nach, ist es irgendwie ein Armutszeugnis, dass es einen bestimmten Aktionstag benötigt, seine Solidarität auszudrücken und sich zu erinnern, was in unserer Welt im Argen liegt.
90% Prozent der Menschen haben einen Tag später schon wieder vergessen, um was es überhaupt ging, wenn sie denn den "Spezialtag" überhaupt zur Kenntnis genommen haben.
Kaum einem bleiben die, an jenen Tage verstärkt betriebenen Aufklärungskampagnen und Solidaritätsbekundungen länger im Gedächtnis, als jede x-beliebige Werbung im Fernsehen.

Wer sich also nur heute, anlässlich des Welt-AIDS-Tages, eine Rote Schleife ansteckt, und sie morgen schon wieder verschämt in der Schublade verschwinden lässt, mag sich zwar für einen Moment eben so solidarisch fühlen, wie Prominente und Politiker, die sich an solchen Tagen engagieren. Ändern tut es aber nur sehr wenig.



Trotzdem, oder gerade deshalb, schreibe ich heute darüber.

Vorweg, eine HIV-Infektion ist nicht gleich AIDS!
Man steckt sich nicht mit AIDS an, sondern mit dem HIV-Virus, einem sehr anpassungsfähigen Virus, der nach und nach die T-Helferzellen im Körper angreift und zerstört.
Eine Ansteckung bleibt meist unerkannt, da die ersten Symptome einer Grippe oder grippalem Infekt ähneln und auch wieder verschwinden können. Auch eine Meningitis kann auftreten.
Bisweilen bleibt eine solche akute HIV-Infektion auch ganz aus.
Jedoch, eben durch den Verlust der, für das Immunsystem wichtigen Helferzellen, wird der Körper anfällig für jede Art von Infektion.
Dadurch können eine Reihe von Erkrankungen, die ein intakte Immunsystem spielend bewältigen könnte, für einen Infizierten lebensbedrohlich werden, wie zum Beispiel eine Infektion mit Herpes-Viren, Pilzen oder auch, die, für gesunde Menschen harmlose, Toxoplasmose. Auch verschiedene Krebserkrankungen, wie zum Beispiel das Non-Hodgkin-Lymphom, treten bei HIV-Infizierten vermehrt auf und sind, obwohl normalerweise mit guter Prognose therapierbar, in dem Fall im Grunde der Anfang vom Ende.

Ist dieser Punkt erreicht, wird aus der HIV-Infektion, eben die letzte Phase, man spricht dann von dem Vollbild AIDS.
Eine ziemlich vollständige Liste der AIDS-definierenden Erkrankungen findet man in dem Wikipedia-Artikel "AIDS":

  • Candidose von Bronchien, Trachea oder Lungen
  • Candidose, ösophageal
  • CMV-Infektionen (außer Leber, Milz, Lymphknoten)
  • CMV-Retinitis (mit Visusverlust)
  • Enzephalopathie, HIV-bedingt
  • Herpes simplex-Infektionen: chronische Ulzera (> ein Monat bestehend; oder Bronchitis, Pneumonie, Ösophagitis)
  • Histoplasmose, disseminiert oder extrapulmonal
  • Isosporiasis, chronisch, intestinal, > ein Monat bestehend
  • Kaposi-Sarkom
  • Kokzidioidomykose, disseminiert oder extrapulmonal
  • Kryptokokkose, extrapulmonal
  • Kryptosporidiose, chronisch, intestinal, > ein Monat bestehend
  • Lymphom, Burkitt
  • Lymphom, immunoblastisches
  • Lymphom, primär zerebral
  • Mycobacterium avium complex or M. kansasii, disseminiert oder extrapulmonal
  • Mycobacterium, andere oder nicht identifizierte Spezies disseminiert oder extrapulmonal
  • Pneumocystis-Pneumonie
  • Pneumonien, bakteriell rezidivierend (> zwei innerhalb eines Jahres)
  • Progressive multifokale Leukenzephalopathie
  • Salmonellen-Septikämie, rezidivierend
  • Tuberkulose
  • Toxoplasmose, zerebral
  • Wasting-Syndrom
  • Zervixkarzinom, invasiv

Im Übrigen stirbt man übrigens nicht an AIDS!
Um es in aller Härte zu sagen, ist AIDS erst einmal ausgebrochen, dann krepiert man, wenn nicht an einer der oben genannten Krankheiten, an einem beschissenen Schnupfen, da das Immunsystem im Grunde nicht mehr existiert!

Durch die Forschung der letzten Jahre, die Fortschritte der Medizin, hat sich zwar die Latenzzeit, also der Zeitraum zwischen HIV-Infektion und dem Vollbild AIDS, durchaus verlängert, und auch die Lebenserwartung und -qualität der Erkrankten konnte verbessert werden, jedoch darf man nicht vergessen, dass die verschiedenen Medikamente, Antiviralia, wie   
  • CCR5-Antagonisten
  • Fusionshemmer
  • Reverse Transkriptase Inhibitoren
  • Integrase Inhibitoren
  • HIV Proteasehemmer
die als  Kombinationstherapie (Cocktail) eingenommen werden müssen, meist erhebliche Nebenwirkungen, wie Kopfschmerzen und, zum Teil, kolikartige Durchfälle, auf lange Zeit Schädigungen der Nerven (Neuropathie) und Störungen des Fettstoffwechsels bis hin zu Leberversagen.
Zudem tritt bisweilen auch, auf Grund von Mutation, eine Resistenz  der HIV-Virus gegen eine Therapie auf, sodass man zu einer anderen Kombination greifen muss und der ganze "Spass" von Nebenwirkungen, Hoffen auf Anschlagen der Therapie und somit Senkung der Viruslast, von vorne beginnt.

Infizierte, deren Angehörige und Freunde und auch Leute, die sich aktiv in Sachen HIV und AIDS engagieren, wissen das!
Sie wissen, dass sich mit der Diagnose HIV das Leben auf einen Schlag völlig ändert!
Man nur auf Zeit spielt und nie genau weiß, wie lange man noch leidlich agil herumhüpft.
Man, neben den Nebenwirkungen der Medikamente, auch genaustens auf eine gesunde Ernährung und Lebensführung achten muss!
Und der morgendliche Blick in den Spiegel immer auch mit der Angst einhergeht, ob sich nicht doch irgendwo ein Kaposi-Sarkom zeigt.
Und das Ende, wenn auch noch in, hoffentlich, weiter Ferne, für den Infizierten und auch sein soziales Umfeld ein langes, bitteres Siechtum bedeuten wird. Man geht nicht einfach zu Bett und tritt, wie im Film, zu tragischer Musikuntermalung, von der Bühne ab. Es ist im wahrsten Sinne eine Quälerei und der Tod schlussendlich eine Erleichterung.

Hinzu kommt, dass auch heute noch vielfach als HIV-Infizierter als Aussätziger behandelt wird, obwohl die Infektion über alltäglichen zwischenmenschlichen Kontakt so gut wie ausgeschlossen ist.
Man bekommt kein AIDS, weil man einen Erkrankten die Hand gibt, ihn umarmt, oder küsst, man steckt sich nicht an, weil man mit ihm aus einem Glas trinkt, oder ihm die Tränen abwischt oder mit seinem Schweiß in Berührung kommt!
Und wenn er blutet, wird er schon von sich aus darauf hinweisen, dass man nicht ohne Handschuhe die Wunde versorgt, selbst wenn dies nur ein Infektionsrisiko birgt, wenn man selbst eine offene Verletzung hat.

Auch sind HIV-Erkrankte durchaus in der Lage ihrem Beruf nachzukommen!
Aber neben den immer noch vorherrschenden Vorurteilen, dürfte der Umstand, dass  eben die Leistungsfähigkeit von der Tagesform, besonders eben in Hinblick auf die Nebenwirkungen der Medikamente (gute Tage, schlechte Tage),  abhängig sein dürfe,  Arbeitgeber auch heute noch dazu zu bewegen, Ausflüchte zu finden, warum man gerade diesen Mitarbeiter nicht weiter beschäftigen kann.

Desweiteren sollte man sich bewußt sein, dass, wenn die HIV-Erkrankung einen geregelten Arbeitstag nicht mehr zulässt, und die Betroffenen dann doch eben in Frührente gehen müssen, was einem bei längerem Krankenstand auch gerne recht drastisch von der jeweiligen Krankenkasse nahegelegt wird, dies meist, eben wegen des frühen Eintrittsalter und der somit geringen Rentenansprüche zusätzlich zur Verarmung führen kann, da man auf staatliche Hilfen angewiesen sind. Bekanntermaßen deckt der Sozialhilfesatz nur den das Existenzminimum (augenblicklich 7.140 Euro per anno) und medizinische Notfallversorgung. Zwar kann man sich als Rentner weiterhin krankenversichern, jedoch schlagen der, gerade beschlossene, Satz von 15,5% des Einkommens bei diesem Existensminimum besonders nieder. Selbst wenn man dann, als Chronisch-Kranker, von den Zuzahlungen, wie Praxis- und Rezeptgebühr befreit ist, kann man von dem Rest dann kaum die Fahrtkosten zur nächstgelegenen, auf die Behandlung von HIV und AIDS spezialisierten Ambulanz, die so wichtige gesunde Ernährung noch sonstige  Aktivitäten bezahlen.

Das ist die Realität!

Warum ich das hier alles so ausführlich schildere?
Um klar zu stellen, dass, bei allen Fortschritten der Medizin, eine HIV-Infektion nicht auf die leichte Schulter genommen werden darf.
HIV bzw. AIDS ist nicht heilbar!
Eine Infektion endet immer, und wenn auch erst in 20, 30 Jahren tödlich!
Und wer jetzt sagt, och, damit kann ich leben, der muss sich vor Augen führen, dass, wenn von Lebensqualität im Zusammenhang mit HIV und Aids die Rede ist, dies eben relativ zu sehen ist!

Laut den, von UNAIDS, dem Aids-Bekämpfungsprogramms der Vereinten Nation, erhobenen Zahlen vom 24.11.09 sind mittlerweile 33,4 Millionen Menschen weltweit mit dem HIV-Virus infiziert, die Zahl der Neuinfektionen beträgt 2,7 Millionen, man geht von 2,0 Millionen Aidstoten aus.
In Deutschland leben ca 63.500 Menschen mit HIV bzw. AIDS, jährlich kommen 3.000 Neu.Infektionen hinzu, 90% davon durch sexuellen Kontakt.

Auch, wenn es sich bei 75% der Erkrankten um Männer handelt, auch wenn gut zwei Drittel aller Infektionen auf ungeschützten Verkehr zwischen Männern zurückzuführen sind, handelt es sich bei HIV und AIDS trotzdem nicht um eine auf einen Personenkreis begrenzte Kranheit (Schwulenseuche). Das hat vielmehr etwas damit zu tun, dass eben Analverkehr, ungeschützt besonders riskant, dort doch weitaushäufiger praktiziert wird, als in der Hetero-Szene.
Es bedeute ebenso wenig, dass HIV und AIDS für Frauen weniger interessant ist. Immerhin machen sie ein Viertel aller Erkrankten aus und immerhin können sie im Falle einer Schwangerschaft das Virus an ihre Kinder weitergeben. Also sind sie eigentlich doppelt in der Pflicht!

Es gibt im Grunde nur eine Möglichkeit, bei der man wirklich vor einer Ansteckung sicher sein kann: Verzicht auf Sex!
Da das aber für die meisten Menschen verständlicherweise, kaum in Betracht gezogen werden dürfte,  gibt es nur adäquates Mittel, um das Infektionsrisiko zu minimieren: Safer Sex, sprich, die Verwendung von Kondomen.

Die kriegt man mittlerweile in jedem Supermarkt, passen wunderbar in jedes Portemonnaie und in noch so kleine Handtaschen, gibt es in vielen lustigen Farben (manche leuchten sogar im Dunkeln ^^) und dürften ja wohl im 21. Jahrhundert dermaßen gesellschaftsfähig sein, dass man sich nicht zu genieren braucht, wenn man die Dinger an der Kasse bezahlt. Ganz im Gegenteil. Immerhin zeugt der Gebrauch von Kondomen ja von einem erwachsenen Verantwortungsbewußtsein!
Nebenbei schützen Kondome ja nicht nur vor HIV, sondern auch vor Tripper, Syphilis, Hepatitis B und C und Clamydien. Kaum zu glauben, aber speziell die beiden ersteren sind weltweit besonders in den Industriestaaten wieder auf dem Vormarsch! Und, richtig angewandt schützen Kondome sogar gegen ungewollte Schwangerschaften. Bei der, statistisch fast unmöglichen, Zahl von "Tropikindern",  auch kein zu unterschätzender Faktor.

Der Verweis auf die Benutzung von Kondomen betrifft zwar in gesteigerte Maße Menschen mit wechselnden Sexpartnern, allerdings, auch wenn man in einer festen Beziehung lebt, sollte man sich nicht darauf verlassen, dass man sich nicht infizieren kann, Treue hin oder her, aber jeder hatte auch vorher ein Sexleben und so lange nicht durch einen HIV-Test eindeutig erwiesen ist, dass man bis dato "Glück" hatte, sollte man schon seinem Partner zu liebe auf Kondomen bestehen. Wenn der dann pikiert reagiert, wäre das jedenfalls für mich ein Anlass die Beziehung generell einmal zu überdenken.

Bareback darf einfach keine Option mehr sein!
Es sollte doch beunruhigend genug sein, dass sich nicht nur die HIV-Infektionen in Europa seit 1996 bis heute mehr als verdoppelt hat, in Deutschland seit 2000 die Neu-Diagnosen auch wieder deutlich steigen. Und dies, obwohl die Krankheit und ihre Infektionswege seit Mitte der Achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts eigentlich jedem bekannt sein dürfte und  repräsentative Umfragen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) doch ergaben, dass die Bevölkerung durchaus über die Gefahren von und den Schutz vor HIV, zumindest oberflächlich, gut informiert ist, auch wenn es an Detailwissen mangelt. Um zu wissen, dass man sich mit Kondomen schützen muss, dürfte das doch, meiner Meinung nach reichen.
Dass trotzdem die Anzahl der neuen HIV-Infektionen steigt, zeugt von einem bewusst in Kauf genommenen Risiko, etwas, was ich beim besten willen nicht nachvollziehen kann.

Darum habe ich eben den heutigen Welt-Aids-Tag genutzt, um hier einmal sehr ausführlich und drastisch zu beschreiben, was eine HIV-Infektion bedeutet.
Es genügt eben anscheinend nicht ,HIV und AIDS einen Tag im Jahr ins öffentliche Bewußtsein zu rufen. Kampagnen und Aufklärung sind ein wichtiger Bestandteil, auch der Welt-AIDS-Tag, aber es reicht anscheinend nicht.
Es sollte auch an den übrigen 364 Tagen Thema sein.
Es muss jedem in Fleisch und Blut übergehen, dass Sex ohne Kondom gleichbedeutend mit Russischem Rolett mit 5 Kugeln sein kann.
Es muss fester Bestandteil der Sexualaufklärung von Kindern werden, dass die Benutzung von Kondomen absolut normal, weil lebensnotwendig, ist.
Und es sollte endlich mit der Verunsicherung im Umgang mit HIV-Infizierten aufgeräumt werden, damit die sich, neben all den anderen Aspekten, die mit dieser Erkrankung einhergehen, nicht auch noch Sorgen machen müssen, was passiert, wenn es an die Öffentlichkeit kommt.
Und eine Rote Schleife sollte nicht nur einmal im Jahr getragen werden!

Auch sollte man einmal auf den alten, verbitterten Mann in Rom dahingehend einwirken, dass er endlich zur Kenntnis nimmt, dass wir mittlerweile im 21. Jahrhundert angelangt sind, Sex mittlerweile eben nicht nur der Vermehrung dient und gerade in Afrika, wo, laut UNAIDS eben 67% aller HIV-Infizierten leben, auf den 70% aller Neuinfektionen und 75% aller AIDS-Toten entfallen, die Weisung gegen den Gebrauch, auch entgegen seiner Religöse Auffassung, doch bitte zu unterlassen habe.
Schon gar nicht darf man zulassen, dass er dort Äußerungen tätigt, wie "Kondome löse das Problem AIDS nicht, es verschlimmere es", um sich aus krichenpolitiscem Kalkül heraus innerbetriebliche Missstimmungen elegant vom Hals zu schaffen.
Als oberste Hirte ist er nicht nur seinem Glauben verpflichtet, sondern, meiner bescheidenen Meinung nach, besonders den Menschen, die ihm zuhören.
Unfehlbar ist er nur ex cathedra und das auch nur, wenn es um die Kirchenlehre geht. Das jedoch wissen die Gläubigen zu meist nicht. Gerade in den sogenannt Dritte-Welt-Ländern herrscht immer noch die Auffassung, jedes seiner Worte sei göttliches Gesetz. Da ich davon ausgehe, dass dies dem Papst durchaus bewusst sein dürfte, sind solche Äußerungen in höchsten Maße unverantwortlich im Dienst an den Menschen.

Davon abgesehen:
Wer Sex für sich aus ideologischen oder religiösen Gründen ablehnt, darf keine Institution dafür sein, ob und wie andere Menschen Sex  haben dürfen. Punkt.

Also, schützt euch! Lasst euch testen! AIDS existiert immer! Nicht nur am 1. Dezember!



Quellen und weiterführende Links:

Aidshilfe Köln

Welt-Aids-Tag.de - Gemeinsam gegen Aids

Deutsche AIDS-Hilfe

Gib Aids keine Chance - Kampagne der BZgA

HIV Info Zahlen & Fakten

PharmaWiki

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