"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Dienstag, 10. Februar 2009

Schopenhauer läßt grüßen!

Aus dem Nachlass des großen Philosophen stammen die Schriften über Eristische Dialektik (Die Kunst, Recht zu behalten) und deren 38 Kunstgriffe, die heute fast in jedem rhetorischen Lehrgang als Grundlage dienen.

Man sollte sie eigentlich kennen, denn dann bekommen Diskussionen und Argumentationsführungen, ob nun als aktiver Bestandteil derselben oder aber nur als Beobachter, eine ganz andere Dimension, man könnte fast schon sagen, Unterhaltungswert.

Denn auch unabhängig davon, ob nun den Teilnehmern speziell die 38 Kunstgriffe bekannt sind, so, und das ist interessant zu beobachten, bedienen sich sehr viele Menschen doch genau dieser Vorgehensweise in ihrer Argumentation.

Besonders interessant wird es, wenn es dem Redner oder auch Diskussionsteilnehmer nicht darum geht, Meinungen auszutauschen und einen gemeinsamen Konsens zu finden oder schlicht seinen Standpunkt zu erläutern, sondern wie schon der Untertitel der Eristischen Dialektik besagt, Recht zu behalten. Rabulistik nennt man das in der Rhetorik.

Nun kann man sich darüber streiten, ob eine Diskussion unter diesen Gesichtspunkt überhaupt Sinn macht ( ich denke persönlich ja nicht! Ich bin aber diesbezüglich auch eher ein Anhänger von Platons und Aristoteles' Dialektik im Sinne von Diskurs (These-Antithese) und Disput. Entschuldigung, aber ich empfinde Diskussionen eben nur dann als fruchtbar, wenn man schon keinen Konsens erreicht, dass man wenigsten neue Blickwinkel kennen lernt oder neues Verständnis für die Position des Anderen erlangt.), aber wenn man sich, zum Beispiel, mal die Reden Goebbels und Konsorten ansieht, dann wird schnell klar, worin das Ziel des Rabulisten besteht.

Bezeichnenderweise warf gerade das Regime im Dritten Reich der Gegenseite und auch dem nebulösen Feindbild der jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung seinerseits vor, sich der Rabulistik zu bedienen, um dem Deutschen Volk zu schaden. (auch einer der Kunstgriffe, dürfte schon der 38. und letzte sein! Aber dazu komme ich noch *g*)

Auch die heutigen Extremisten jeder Couleur bedienen sich gerne und oft der Eristische Dialektik und das Wissen um diese, lässt den Zuhörer schnell erkennen, woher der Wind weht.
Denn, wer mit sachlichen Argumenten aufwarten kann, hat es m. E. nicht nötig, sich dieser Kunstgriffe zu bedienen.
Ich denke vielmehr, gerade, wer weiß, dass seine Beweisführungen einer kritischen Betrachtung nicht standhalten werden, hat ein nicht unerhebliches Interesse daran, trotzdem Recht zu behalten.
Das Konzept, welches dahinter steht, wird also durchschaubar und dadurch greifbar und somit auch angreifbar.

Und da wird es auch für den Umgang mit dem Medium Internet interessant, gerade, wenn es darum geht, Inhalte diverser Websites zu beurteilen. Denn man findet diese Art der Diskussionsführung nicht nur in der Politik oder ideologischer wie auch immer gefärbter Demagogie, sondern auch in Blogs, Newsgroups, Foren und sonstigen Publikationen. So hilft es auch dort Lesern, Usern, Mods und Admins, die Absichten gewisser Zeitgenossen zu erkennen und entsprechend zu reagieren.

Randbemerkung: Natürlich ist niemand frei von situationsbedingten Entgleisungen, jeder macht mal irgendwie seinem Ärger Luft oder schwingt gerne die Keule der Entrüstung. Jeder hat auch irgendwo einen kleinen Troll in sich, der manchmal gerne Gassi gehen möchte. Kein Thema! Die Frage ist allerdings in welchem Maße. Solange es sich dabei um Ausrutscher handelt, ist dies nur menschlich. Wer ist schon ohne Fehl und Tadel, und wenn man das einsieht und sich entsprechend verhält, sei es, dass man die Konsequenzen trägt und dazu steht oder sich gar entschuldigt, ist es noch im Rahmen des Vertretbaren.
Jedoch, ich weiß nicht wieso, gibt es Menschen, deren einzige Befriedigung darin zu bestehen scheint, Inhalte mit Trollposts und Flames zu füllen, Hetzkampagne zu initiieren oder schlicht jeden zu diffamieren, der sich nicht dem persönlichen oder gruppenspezifischen Meinungsmonopol unterwirft, sich also schlicht erdreistet, Kritik zu üben, welche dann natürlich, selbst wenn sie sachbezogen ist, direkt als persönlichen Affront gewertet wird.

Ich habe dabei den leisen Verdacht, dass es jenen Menschen schwerfällt, Irrtümer und Niederlagen einfach wegzustecken.
Oder aber sie lieben die Aufmerksamkeit, die ihnen durch ihr Missverhalten entgegen gebracht wird.
Möglicherweise spricht daraus auch nur eine höchst sensible Psyche, die nur durch eine dünne Lasur Selbstbewusstsein vor Verletzungen geschützt wird und welche bei jedem vermeindlichen Angriff aufplatzt.
Gut möglich, dass sie deshalb dann gerade auf jene schießen, deren Selbstwertgefühl gefestigt ist. Verletzte Eitelkeit mag da auch eine Rolle spielen....
Ich weiß es echt nicht, und ehrlich, es ist mir auch egal. Ich fühle mich nicht zum Psychotherapeuten für solche Zeitgenossen berufen.


Jedenfalls findet man auch bei besagten Auswüchsen des WWW oftmals Eristische Dialektik, sei es, dass die Verfasser ihre Ideologie "verkaufen" wollen, sie ihre Handlungen oder Auffassungen rechtfertigen oder sie schlicht auf Rache (an bestimmten Personengruppen oder der ganzen Welt) sinnen oder einfach nur stören wollen, wie man es eben vom allseits bekannten Internet-Troll, und da weniger beim Trollus Vulgaris, als eher beim "intelligenten" Troll kennt.

Ich finde es mit unter spaßig, mal solche Texte, Diskussionsverläufe oder auch verbale Äußerungen auf die Anwendung der 38 Kunstgriffe hin zu überprüfen.

Dabei fällt nämlich eines auf:
Sobald nämlich Kunstgriff 38 zum Zuge kommt, "argumentum ad personam", sprich den (vermeintlichen) Gegner diffamieren und beleidigen (bisweilen auch nur unterschwellig eingestreut!), kann man sicher sein, dass der Gegenüber, Redner, Schreiber, whatever, im Unrecht ist und das auch weiß.
Hat man es mit diesem in einer direkten Diskussion zu tun, kann man noch die Probe auf's Exempel machen, indem man die Beleidigung einfach ignoriert und sachlich beim Topik bleibt. Wird der andere daraufhin noch ausfallender, weiß man 100% wo der Hase im Pfeffer liegt. ;-)

Und darum möchte ich jedem die Lektüre von Schopenhauers Eristische Dialektik und den 38 Kunstgriffen ans Herz legen!

Man ist dann nicht nur gegen Polemik, Demagogie und Propaganda gefeit, weil man sie leichter durchschauen kann, man ist auch gerüstet gegen Mobbing-Attacken und Hetz-Kampagnen. Selbst gegen die berühmten Klinkenputzer und Staubsaugervertreter kann die Kenntnis helfen, denn, wie ich eingangs schon sagte, die Eristische Dialektik findet sich in jedem Rhetorik- oder Verkaufsförderungslehrgang, ja jedes Unternehmen und jede Organisation, die etwas an den Mann oder die Frau bringen will, bedient sich ihrer bei der "Mitarbeiterschulung".


Hier also, im Sinne von "Kenne deinen Feind!", anbei noch Links zum Studium, sowie eine grafische Darstellung der Eristischen Dialektik. Viel Spaß! *g*


Arthur Schopenhauer, "Die Kunst, Recht zu behalten" (Originaltext Gutenberg-Projekt)

Kunstgriffe (Schopenhauer) (Zusammenfassung auf Wikipedia)

Eristische Dialektik (Wikipedia)

Argument-Typen (Teilbereich des Wikipedia-Artikels "Argument")


© Rhetorik-Netz

2 Kommentare:

  1. Diesen Beitrag zu lesen, hat mir viel Freude gemacht. Ich habe da einiges aus meinem früheren Leben an der Uni wiedergefunden.
    Wenn zwei Professoren sich streiten, dann ist Schopenhauer nie weit...

    Liebe Grüße,
    Astraryllis.

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  2. Hallo Astraryllis,

    Gerade unter Wissenschaftlern, und das dürften die Profs doch gewesen sein, finde ich solches Verhalten beschämend.

    Denn gerade auch dort würde doch ein Disput im Geiste Aristoteles als Streben nach Erkenntnis viel mehr Sinn ergeben.

    Stattdessen wird gestritten, wer Recht oder Unrecht hat. Erinnert mich stark an das Revierverhalten von Hunden... oder an kleine Jungs, die um ihr Spielzeug streiten.

    Sehr reflektiert, muss ich schon sagen! ;-)


    Liebe Grüße
    Crow

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