Seit dem Artikel über Antisemitismus zog es mich unwiderstehlich zu den Gedichten Erich Frieds, den ich nun fast 30 Jahre für seine klare Sprache und seinen Stil sehr schätze, seit ich, etwa mit 13 Jahren auf sein Gedichte "Die Maßnahmen" und "Humorlos" in unserem Deutschbuch stieß.
Die Maßnahmen
Die Faulen werden geschlachtet
Die Welt wird fleißig
Die Häßlichen werden geschlachtet
Die Welt wird schön
Die Narren werden geschlachtet
die Welt wird weise
Die Kranken werden geschlachtet
die Welt wird gesund
Die Traurigen werden geschlachtet
die Welt wird lustig
Die Alten werden geschlachtet
die Welt wird jung
Die Feinde werden geschlachtet
die Welt wird freundlich
Die Bösen werden geschlachtet
die Welt wird gut
(Volker Konkoreit, Klaus Wagenbach (Hrsg.): Erich Fried - Gesammelte Werke Bd. 1. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 1993)
Humorlos
Die Jungen
werfen
zum Spaß
mit Steinen
nach Fröschen
Die Frösche
sterben
im Ernst
(Volker Konkoreit, Klaus Wagenbach (Hrsg.): Erich Fried - Gesammelte Werke Bd. 1. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach 1993)
Aber heute suchte ich nach einem jener Gedichte, die ihm, dem Juden, der 1938 aus Deutschland emigrieren musste, nachdem sein Vater an den Folgen der GeStaPo-Verhöre starb, immer den Vorwurf seitens der politischen Zionisten einbrachte, Antisemit zu sein, weil er die Entwicklung des Staates Israel und die Palästinenser-Politik kritisierte.
Ich fand es nach einigem Suchen.
Die Verdächtigung
Als ich dich verteidigt hatte
Leila Khaled
im SPIEGEL und im GUARDIAN
gegen die Flüche und Lügen
von Zionisten und westlichen Demokraten
da kamen die Drohbriefe
und Telefonanrufe
mit Schimpfworten und
mit obszönen Verdächtigungen
und wahrscheinlich doppelt so viele
weil ich Jude bin
als Kind vom Hitlerfaschismus
aus meiner Heimat vertrieben
und deshalb nach Meinung der Schimpfer
ein Zionist sein müßte
statt heute Partei zu nehmen
für das vertriebene Kind
Leila Khaled
Unter denen am Telefon
mit geifernden Stimmen
war auch ein Zionist
der sagte der Fall sei ihm klar
ich müsse dich
Leila Khaled
offenbar lieben
und Tag und Nacht an dich denken
Da wurde ich zornig
und hieß ihn zum Teufel gehen
und legte den Hörer auf
Doch er hat recht gehabt
denn ich liebe dich wirklich
dich Leila Khaled
die ich nie gesehen habe
und wahrscheinlich nie sehen werde
und ich denke an dich
Denn dem Haß der Unterdrücker
gegen die die sich wehren
und dennoch weiterleben
und gegen sie zeugen
wirft sich die Liebe entgegen
der aufstehenden Unterdrückten
zu allen Unterdrückten in allen Ländern
die kämpfen mit vielerlei Waffen
den einen Kampf.
( Erich Fried)
Zur Person Leila Khaled sollte mal ein wenig googlen. Der Wikipedia-Beitrag gibt nicht das ganze Spektrum dieser Frau wieder. Ihre Autobiografie "Leila Khaled: Mein Volk soll leben. Autobiographie einer Revolutionärin" kann ich jedoch rundheraus empfehlen. Einen wirklich nur kleinen Einblick erlaubt aber auch der Artikel "Die strenge Kommandantin" im Tagesspiegel vom 24.10.2001
Zumindest sollte ihre Vita ein wenig empfindsamer machen, gegenüber dem vorschnellen Urteil "Terrorist"...manchmal liegt zwischen der Definition ob "Terrorist" oder "Freiheitskämpfer" nicht mehr als ein Zaun...
Aber zurück zu Erich Frieds Israel-Kritik.
Es dürfte all jene nachdenklich machen, die Judentum und Zionismus nur immer zu gerne in einen Topf werfen. Dabei ist gerade der politische Zionismus auch innerhalb jüdischer Kreise keinesfalls unumstritten.
Gerade jene sollte dies zur Kenntnis nehmen, die ihren Antisemitismus nur zu gerne als Antizionismus tarnen oder beschönigen, ebenso aber auch jene politischen Zionisten oder Israelischen Rassisten, die jede Kritik an Israel oder Parteinahme für die Palästinenser als Antisemitismus werten, selbst wenn diese von einem Juden kommt.
Es gibt genug Juden, die gegen den politischen Zionismus sind! Umgekehrt muss man nicht einmal zwingend Jude sein, um Anhänger des Zionismus zu sein...
Frieds Gedichte zu dem Thema gehen jedenfalls unter die Haut und machen deutlich, dass die Politik eines Staates weder die generelle Meinung dessen Bevölkerung wiederspiegeln muss, noch dass jeder Jude sich als Israeli sieht und/oder sich mit dem Staat Israel automatisch identifiziert.
Eine kleine Auswahl an Gedichten findet man auf dem Palästina-Portal. Es handelt sich dabei um eine Plattform, auf der sich Menschen aller Religionen, Juden, Moslems, Christen, Atheisten, who ever, für den Frieden im Nahen Osten und speziell zwischen Palästinensern und Israelis einsetzt.
Dort fand ich auch endlich einen Beitrag über die Shministim, jungen Israelis, kurz vor dem Schulabschluss, die nicht mehr bereit sind, als Soldaten Israels gegen die Palästinenser zu kämpfen und deshalb den Kriegsdienst verweigern.
Komisch eigentlich, dass solche Informationen im Netz so schwer zu bekommen sind, wo man mit entweder rein Pro- oder Contra-Informationen für die eine oder andere Seite geradezu zugeschüttet wird.
Auch hier gilt wohl, dass man lieber klare Grenzen zieht zwischen gut und böse, je nachdem, wem man seine Sympathie schenken mag, anstatt feststellen zu müssen, dass die Welt eben nicht so leicht zu kategorisieren ist.
Dass man Umdenken kann, haben schon Jassir Arafat und Menachem Begin bewiesen.
Was mich jedoch schon seit Jahren umtreibt, ist die Ahnung, dass, wie im Grunde der Antisemitismus den politischen Zionismus heraufbeschwor, so der Völkermord der Nationalsozialisten an Angehörigen des Judentums möglicherweise die Art und Weise, wie heute Israel mit den Palästinenser verfährt, mit beeinflusst haben könnte.
Wie schrieb es Erich Fried?
was wollt ihr eigentlich?
Wollt ihr wirklich die übertreffen
die euch niedergetreten haben
vor einem Menschenalter
in euer eigenes Blut
und in euren eigenen Kot?
(aus "Ein Jude an die zionistischen Kämpfer")
Ich finde es sehr seltsam, dass es Menschen gibt, die zu feige sind, hier, wo es hin gehört zu kommentieren aber in ihrem eigenen Blog unqualifiziertes Zeug ablassen.
AntwortenLöschenHi Hexe,
AntwortenLöschenAch, läuft Rumpelstilzchen wieder Amok?
Auf Heckenschützen reagiere ich schon prinzipiell nicht.
Außerdem ist es mir lieber, er entblößt sich bei sich "zu Hause", als das ich überlegen müsste, wie ich darauf hier reagiere, ohne ihn ganz "nackig" zu machen. Ist nämlich nicht mein Stil. ;-)
LG
Crow
Da hast du ganz Recht. das kann er selbst wirklich am Besten.
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