"Bildung ist wichtig, vor allem wenn es gilt, Vorurteile abzubauen.
Wenn man schon ein Gefangener seines eigenen Geistes ist, kann man wenigstens dafür sorgen, daß die Zelle anständig möbliert ist.
"
Peter Ustinov
„Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, der wird am Ende beides verlieren.“

Benjamin Franklin


Samstag, 9. Mai 2009

Mal ein paar Gedanken zu Hass und dem Umgang mit seiner Umwelt

Hass?

Warum soll ich jemanden hassen?
Warum soll ich jemanden hassen, der sich nachweislich mit seinem Verhalten mehr schadet, als jenen, auf die sein absonderliches Verhalten abzieht?

Besonders, wenn mir, wie gestern eine gute Bekannte, die gerade ihr Psychologiestudium abschließt, glaubhaft bestätigt hat, dass alles, was sie über eine eben solche Person gelesen und in Erfahrung gebracht hat, auf eine ernsthafte Erkrankung, eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, einem Bereich der Borderline-Störungen, hinweist.

Daher könne sie gar keine anderen Verhaltensmuster an den Tag legen, so meine Bekannte, weil Personen mit dieser Erkrankung, Unfähigkeit sind, soziale Kontakte in einer angemessenen Form einzugehen.
Ihre Arroganz, ihre wichtigtuerische Art, der Neid, gepaart mit der Überzeugung, die anderen wären neidisch, und die Missgunst, welche bis hin zur Diffamierung gehen können, auf beliebige Personen, denen es, in den Augen der Erkrankten, besser geht, die haben, was sie sich für sich selber wünschen, sei nur ein Schutzschild, um eben ihr, durch die Erkrankung ausgelöstes, Verhalten, vor sich selbst und vor anderen zu rechtfertigen und nicht eingestehen zu müssen, dass mit ihnen etwas nicht stimmt.

Das Fatale an dieser Erkrankung sei, so meine Bekannte, dass der Erkrankte einerseits nicht fähig wäre, in zwischenmenschlichen Beziehungen zu geben, sondern sich immer nur "bedienen", weshalb diese meist schnell scheitern, andererseits, dass sie durch ihre übertrieben Egomanie alles, was um sie herum passiert auf sich selbst beziehen. (Interessant fand ich, dass ein krankhaft übersteigertes Selbstwertgefühl meist ihre Ursache in einem, zum Teil aus frühkindlicher Phase stammenden, Minderwertigkeitskomplex hat.)
Die Erkrankung ist zwar behandelbar, sehr erfolgreich sogar, allerdings scheitere es schon meist an einer Therapie, da sich die erkrankten Personen oft als besonders einmalig und nur von sehr auserlesenen Kreisen zu verstehen betrachten.
(Naja, krank hin oder her, mein Mitgefühl hält sich bei solchen Menschen trotzdem in sehr engen Grenzen...)

Für diejenigen, die jetzt die Befürchtung haben, an einer solchen Persönlichkeitsstörung zu leiden oder, die jemand kennen, auf die obige Beschreibung zutriffen könnte, hier mal eine Liste der Symptome:

Narzisstische Persönlichkeitsstörung Symptomatik


Ein tiefgreifendes Muster von Großartigkeit (in Phantasie oder Verhalten), Bedürfnis nach Bewunderung und Mangel an Empathie. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und zeigt sich in verschiedenen Situationen. Mindestens 5 der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  • Ein Mensch mit einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung hat ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit (übertreibt z.B. die eigenen Leistungen und Talente; erwartet, ohne entsprechende Leistungen als überlegen anerkannt zu werden).
  • Er ist stark eingenommen von Phantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz, Schönheit oder idealer Liebe.
  • Eine Person mit einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung glaubt von sich, besonders und einzigartig zu sein und nur von anderen besonderen oder angesehenen Personen (oder Institutionen) verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können.
  • Sie verlangt nach übermäßiger Bewunderung.
  • Sie legt ein Anspruchsdenken an den Tag, d.h. übertriebene Erwartungen an eine besonders bevorzugte Behandlung oder automatisches Eingehen auf die eigenen Erwartungen.
  • Der narzisstisch Persönlichkeitsgestörte ist in zwischenmenschlichen Beziehungen ausbeuterisch, d.h. zieht Nutzen aus anderen, um die eigenen Ziele zu erreichen.
  • Er zeigt einen Mangel an Empathie: ist nicht willens, die Gefühle und Bedürfnisse anderer zu erkennen oder sich mit ihnen zu identifizieren.
  • Ein Mensch mit einer narzißtischen Persönlichkeitsstörung ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, andere seien neidisch auf ihn/sie.
  • Er zeigt arrogante, überhebliche Verhaltensweisen oder Haltungen.
Quelle: © by Dipl.-Psych. Christian Hilscher (2006)

Klingt irgendwie, wie eine Trainingsliste für ein Manager-Seminar....


Wo war ich?
Achso!

Ich nahm also dieses Gespräch gestern mal zum Anlass, über Hass und Selbstliebe nachzudenken.

Also ich liebe mich. Ich mag mich so wie ich bin, mit meinen Fehlern und Stärken, finde mich 340 von 365 Tagen eigentlich total okay. Ich könnte mal irgendwann so 5 Kilo abnehmen, würde auch was drum geben, wenn ich äußerlich, also vom Körperbau her etwas mehr auf die Familie meiner Mutter käme (sehr schlank, dabei essen können, als gäb's kein Morgen) und weniger den Hang zu dieser komischen, leicht untersetzt wirkenden Figur, die in der Familie meines Vaters üblich ist (Allerdings ist auf meiner Mutters Seite die Sterblichkeitsrate unter 60 signifikant groß, also dann lieber ein wenig knubbelig.).

Ich weiß auch, dass ich manchmal ein ziemlicher Klugscheißer sein kann, aber, ich mache das ja nicht, weil ich mich profilieren möchte, sondern, weil das Wissen, welches ich so im Leben angesammelt habe, einfach heraussprudelt. Manchmal könnte ich mich dafür sogar in den Hintern treten, weil mein Timing dabei bisweilen so mies ist, dass ich damit öfters quasi "Hier!" rufe, wenn mal wieder ein "Dummer" ("Du kannst das doch!"-"Du hast doch davon Ahnung!") gesucht wird. (Darum bin ich ja auch mittlerweile, so nebenher noch, stellvertretender Netzwerk-Admin...toll...einmal vergessen sich dumm zu stellen...) Oder diese bescheuerte Angewohnheit, Arbeit bis kurz vor knapp auflaufen zu lassen. Okay, dafür, oder eher deswegen, bin ich unter Zeitdruck immer am produktivsten...hat auch was für sich...

Vieles hätte ich auch besser machen können in meinem Leben, aber, nu, ändern kann man nichts und wenn ich von Anfang an alles richtig gemacht hätte, den geraden Weg genommen hätte, dann wäre ich heute nicht die, die ich bin, und auch nicht da, wo ich jetzt bin! (zu Hilfe, ich wollte mal ins Marketing....boah, bäh....wo ich es so hasse etwas Leuten aufzudrängen, was sie weder wollen noch brauchen...)

Viele Erfahrungen hätte ich auch gar nicht gemacht, die mir abgingen, einige Personen hätte ich nie kennengelernt, einige wären nie entstanden, was ich durchaus bereuen würde.
Viel schlimmer wäre jedoch, dass ich, wäre man Leben nur ein einziger Höhenflug gewesen, wahrscheinlich eine total glatte, hohle, Larve meiner Selbst geworden wäre. Es sind ja die Ecken, an die wir stoßen, die uns formen, die Schwierigkeiten, die wir überwinden müssen, die uns Stärke und Selbstvertrauen geben.
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker!"
Ein Satz, der wie eine Plattitüde klingt, aber sehr viel Wahrheit enthält. Denn, so denke ich, aus Stärke und Selbstvertrauen erwächst auch ein gesundes Selbstwertgefühl und so eine realistische Einschätzung seiner eigenen Person.

Gehasst habe ich allerdings bisher noch nie jemanden. Es gibt ein paar Menschen, die ich nicht mag, einige, die mir gleichgültig sind, einige die ich sogar verachte, aber hassen...?

Zum einen empfinde ich es als Energieverschwendung, andererseits denke ich, ein so negatives Gefühl vergiftet nur die eigenen Energien.
Vielleicht fehlt mir da was, wer weiß, aber, naja, wenn ich mal so um mich schaue und sehe, was teilweise für Rosenkriege und Hetzkampagnen wegen irgendwelcher Nichtigkeiten inszeniert werden, bin ich eigentlich ganz froh, dass mir solche Gefühle total abgehen.

Was jetzt nicht bedeute, dass ich mir alles gefallen lasse, oder dass mich das Verhalten von Mitmenschen nicht auf die Palme brächte. Nur, ich gehe damit anders um. Wo andere ausrasten, sich nächtelang überlegen, wie sie jemandem eins auswischen können, werde ich sehr höflich, sachlich und rational.
Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich bisher nie auf irgendwelche Provokationen eingelassen habe.
Gut aber, wenn man zusammenarbeiten muss, oder sich sonst wie nicht aus dem Weg gehen kann.

Auch, so denke ich, sind Hass und Rache und alles was da so noch dran hängt, immer ein Anzeichen für ein Nicht-bewältigen-können.
Klar, ich finde es auch nicht toll auf Ablehnung zu stoßen, wer mag das schon, aber, nu ja, bei knapp 7 Mio. Menschen auf dem Planeten kann das schon mal vorkommen.
Wie gesagt, vielleicht bin ich da auch total verkorkst in der Hinsicht, obwohl Steff meint, das wäre seeehr unwahrscheinlich...

Ich bin ja auch kein Blümchenwerfer. Okay, die bringen mich mindestens genauso aus dem Konzept, wie die Hate-And-Revenge-Fraktion. Die Welt ist ja kein Ponyhof (ich liebe diese Floskel!) und allumfassende Liebe zu empfinden, lehne ich genauso ab, wie zu hassen.
Warum denn immer die Extreme?

Kann man nicht einfach ganz normal miteinander umgehen?

Oder, wie ich, als mein Sohn meinte, er würde nur denjenigen Respekt gegenüber aufbringen, die auch ihn respektierten, den Kategorischen Imperativ ins Feld führte.

Wobei, wenn ich so darüber nachdenke, vielleicht bin ich deshalb so ohne Hass- und Rachegefühle.
Weil ich nämlich wirklich überzeugt bin, dass wir genauso mit unserer Umwelt, und damit auch unseren Mitmenschen, umgehen sollten, wie wir auch im Gegenzug von ihr behandelt werden wollen.

Dies mag natürlich individuell sehr unterschiedlich sein, aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man wirklich möchte, dass einem die Welt mit Hass, Missgunst, Rachsucht, Neid und Überheblichkeit gegenübersteht.

"Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt."
Mahatma Gandhi


Also, Kitty, nenn' mich ruhig "Gandhi"! Smilie by GreenSmilies.com



Ich wünsch euch allen ein schönes Wochenende! Smilie by GreenSmilies.com

6 Kommentare:

  1. Auch wenn mir auf Anhieb eine Person einfällt auf die der erste Teil deines Posts passt wie die berühmte Faust, so muss auch ich sagen, ich hasse Niemand.

    Ich kann sehr wütend auf Jemand sein aber das kann auch schnell wieder vergehen. Früher habe ich in solchen Fällen auch wieder versucht an der jeweiligen Beziehung, Freundschaft oder was auch immer festzuhalten und zu arbeiten. Aber das mache ich nicht mehr. Von zu vielen Menschen, an denen mir etwas lag bin ich enttäuscht worden und da wird es nie wieder einen Neubeginn geben. Aber auch keinen Hass.

    Hass ist ein Gefühl, dass mich Kraft kosten würde, die ich lieber in die Projekte stecke, die mir selbst etwas geben. Auch wenn sich das egoistisch anhört.

    Ob ich mich selbst liebe kann ich nicht sagen. Ich finde mich ganz okay. Klar, abnehmen und so wär nicht schlecht. Andereseits muss ich in meinem Alter noch mit den jungen Leuten mithalten? Nö.

    Ich seh das so wie bei Triskehle. Anfangs dachte ich, was mach ich da? Ich kann nicht gut singen. Aber heute seh ich das anders. Ohne mich, mein Verhandlungsgeschick und mein kaufmännisches Wissen wären wir mit der Gruppe nie da wo wir jetzt sind. Also leiste ich auf meine Art auch etwas Wichtiges. Und so ist eigentlich das ganze Leben. Ein Nehmen und Geben. Ich gebe das was ich gut kann und nehme an was ich nicht kann.

    Nur kein Hass, der ist völlig überflüssig und macht den Gehassten wichtiger als er sein sollte.

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  2. Krähe, du wurdest getaggt. Schau mal hier:

    http://verhextundzugedichtet.blogspot.com/2009/05/el-sapone-hat-mich-getaggt.html

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  3. Wut, Zorn, ja, die kenne ich auch. Wenn nicht wäre ich auch ein Fall für den Psychiater.

    Viele Dinge, wie der Einsatz gegen Rassismus oder andere Diskriminierung würde ich gar nicht machen, wenn sie mich nicht wütend machen würden. ;-)

    Im Gegensatz zum Hass empfinde ich also Wut durchaus als konstruktives Gefühl.

    Und das an die Decke gehen, naja, das ist ja nur temporär aus der Situation heraus.
    Ich habe aber z.B. gelernt, dass ich erst einmal Luft hole, wenn ich zornig auf jemanden bin, denn sonst lässt man in der Hitze des Gefechts zu Äußerungen hinreißen, die man erstens so nicht meint und zweitens eben nicht zurückgenommen werden können.
    Manchmal hilft es ja schon, wenn man darüber nachdenkt, wieso einen eine Person, Situation oder ein Verhalten wütend macht. Manchmal liegen die Ursachen gar nicht wirklich beim anderen, sondern ganz wo anders.

    Thema Freundschaft/Beziehung: Ich denke manchmal kommt es da zu Spannungen, weil einfach die Einstellungen und Perspektiven sich im Laufe der Zeit auseinander entwickelt haben. Es passt einfach nicht mehr. Dann sollte man auch nicht mehr versuchen, etwas zu retten, was in der Tat nicht mehr passt, sondern den Anderen gehen lassen, ohne Zorn und ohne böse Worte.

    Dein Beispiel mit Triskele für Geben und Nehmen finde ich übrigens sehr schön. So sollte es eigentlich in jeder sozialen Beziehung sein. Im Grunde profitiert in solchen Beziehungen jeder vom anderen, und sei es nur, dass der eine Zeit gibt, wenn der andere sie braucht. Leider habe ich die Erfahrung gemacht, das dies nicht mehr selbstverständlich ist und, ja, sowas macht mich eben auch wütend. Aber wie gesagt, das ist eigentlich auch positiv, weil ich dadurch für mich mittlerweile andere Ansprüche an Beziehungen stelle.

    Achso, wegen der Selbstliebe, wer will schon mit den Jungen mithalten? Reicht doch, wenn wir mit uns mithalten können. *g*

    LG
    Crow

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  4. Gehasst habe ich eine zeitlang in meinem Leben, Menschen Dinge und vieles mehr und das mit Inbrunst. Doch Hass ist kein Lebensinhalt und kostet zuviel Energie, weil um dieses Monster am Leben zu erhalten muss man es immer wieder füttern. Das erstaunliche daran ist, dass man das freiwillig tut dazu noch mit dem eigenen Selbst.
    Irgendwann habe ich damit gebrochen, ich vergesse und vergebe nicht leichtfertig, naja manchmal schon, aber ich hasse nicht mehr, denn das frisst einen zu sehr auf und schnell hat man sich in etwas verrannt.

    Selbstliebe? Hm, ich finde mich soweit mit all meinen kleinen und grösseren Fehlern ganz ok, auch wenn ich immer wieder einen kritischen Blick auf mich selber werfe und auch versuche in den Spiegel zu schauen.

    Naja, dann bin ich ja sozusagen auch in einer Position gelandet wo ich mich fragte: was mach ich da eigentlich? Jetzt im Nachhinein und wenn man es nur von aussen ansieht könnte man sagen: ein skrupelloser Opportunist hat sich mit dem nötigen Machthunger an die Spitze katapultiert. Eher hatte ich nicht die Möglichkeit im passenden Augenblick Nein zu sagen, oder die Folgen eines Neins wären schlimmer gewesen.
    Aber schlussendlich trifft das abgedroschene Sprichwort - was uns nicht umbringt macht uns stärker - im vollen Umfang zu.

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  5. Nur 5 Punkte, die passen? Nee, die passen alle wie der Arsch aufn Eimer. Borderline und manische Depressionen wären meine Zweitdiagnosen - so als Laie ^^

    Nee, aber zum Thema. Ich find das ja immer stressig, wenn jemand immer alles auseinanderdröseln und definieren muss. Aber: wo fängt Hass an? Hass ist immer leicht bei der Hand: "Boah, ich hasse es, wenn...."
    In dem Sinne bekenne ich mich schuldig - ich "hasse" auch gewisse Orte (erinnert mich an meinen Zahnarzttermin heut *grusel*), Situationen und Personen. Und das mit Leidenschaft. Nein, wahrscheinlich ist es kein Hass, wenn ich das aufdröseln müsste. Hass ist immer so schön leicht bei der Hand, wenn ihr wisst, was ich meine :-)

    Auf der anderen Seite hätte ich kein Problem, wenn mich jemand hasst. Kommt immer drauf an, wer, was, warum.

    Selbstliebe, so meine Erfahrung, wird oftmals hart erlernt. Aber schön, wenn mans kann, weil so viele andere (oftmals auch wichtige) Dinge darauf aufbauen :-)

    soviel zu meinem wirren Senf,

    LG, Sue

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  6. Liebe Krähe,

    vielen Dank für diese sehr interessante Selbstreflexion. Es gibt so viel für mich dazu zu sagen, aber es ist heute schon sehr spät. Andererseits schreibe ich es besser gleich auf, sonst geht es unter:

    Mein Vater gehört zur Flaghelfer-Generation. Er ist im Dritten Reich aufgewachsen und angefüllt mit Feindbildern und Hass. Besonders schwer, mich gegen ihn abzugrenzen, fällt es mir, weil er nicht rechts sondern links ist. Er ist in meinen Augen ein "rotangemalter Nazi".
    Seine "Juden" sind die "verdammten Kapitalisten", über die er sich immer wieder in Hassreden ergeht, bei denen er sich die Lippen blutig beißt und manchmal sogar richtig Schaum vor dem Mund hat, wenn er in Fahrt kommt.

    Er steht der SPD nahe und ich hatte lange Schwierigkeiten die Linken nicht mir meinem Vater in einen Topf zu stecken und der SPD gegenüber fair zu sein, sie nicht von vorneherein zu verurteilen.

    Ich hatte immer Angst, dass ich so sein könnte wie mein Vater. So voller Hass, besessen von Feindbildern.
    Vielleicht habe ich mich deshalb an der Uni für die spanische Postdoc eingesetzt, die von ihrem Professor zum Flamenco tanzen aufgefordert wurde.

    Aus Angst, meinem Vater zu ähneln, neige ich dazu die Dinge zu verharmlosen und schön zu färben. Ich stecke lieber ein, als mich zu wehren.
    Jedenfalls war das so, bis ich an der Uni praktisch gezwungen wurde, zu kämpfen. Und auch da habe ich mich lieber wieder für einen schwarzen Mitstudenten eingesetzt, der angegriffen wurde, als für mich selbst.

    Ich lerne täglich hinzu, aber meine Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen.

    Zu dem Thema vom geraden Lebensweg kopiere ich Dir hier ein Gedicht von mir hin:



    Un-rat


    Ja,
    Sagt der Berater vom Arbeitsamt
    Und schüttelt besorgt den Kopf.
    Ihr Lebenslauf
    Ist nicht geradlinig.

    Sehen Sie,
    Versuche ich zu erklären,
    Ich habe vermisst und gesucht,
    Verloren und gefunden.
    Entdeckungen und Eroberungen brauchen ihre Zeit,
    Daher die Lücken und Umwege.

    Er schüttelt den Kopf.
    Er ist mehr an sachliche Argumente gewöhnt.

    Wie ein Mosaik,
    Wage ich den Vergleich,
    Das Reizvolle daran
    Sind die vielen verschiedenen kleinen Stückchen
    Und die Lücken dazwischen.
    Wenn Sie einen Lebenslauf aus einem Guss wollen,
    Müssen Sie meinen mit Einheitsgrau übertünchen.

    Er ist kein Philosoph.
    Er ist Beamter
    - und setzt die Beratung fort.



    Eine gute Nacht und ganz liebe Grüße,
    Astraryllis.

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